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Archiv-Artikel

Ein Globalisierungsgegner

Heute beginnt ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Neonazi-Schläger in Stadthagen. Sicherheitsstufe: hoch

Die Geschehnisse bei der Kundgebung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in Rotenburg an der Wümme entsetzen viele. Mit voller Wucht schlug am 13. März vergangenen Jahres der Neonazi Arwid S. mit einem hölzernen Plakatträger auf einen Gegendemonstranten ein. Am Kopf schwer verletzt fiel der 20-jährige Demonstrant auf dem Pferdemarkt zusammen.

Einige Gegendemonstranten leisteten erste Hilfe, andere schrien den Namen des Täters mit Ordnerbinde, da die Polizei nicht sofort einschritt. Knapp zehn Monate nach der NPD-Kundgebung beginnt heute der Prozess vor dem Jugendschöffengericht Stadthagen. „Unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen“, betont das Amtsgericht.

„Die Verzögerung ist alleine einem Anwaltswechsel geschuldet“, beteuert die Staatsanwaltschaft Bückeburg. „Na ja, der hätte mich wohl erst totschlagen müssen, damit schneller gehandelt wird“, meint indes das Opfer, dem erst ein halbes Jahr später aus seinem Jochbein eine stabilisierende Stahlplatte entfernt werden konnte.

Statt Klaus Kunze, einem renommierten Anwalt der rechten Szene, vertritt jetzt ein lokaler Rechtsbeistand den Beschuldigten. Der Wechsel dürfte der Verteidigungsstrategie des 19-Jährigen geschuldet sein: sich als nicht voll überzeugter Neonazi zu gerieren.

Bereits in einem Verfahren gegen die taz, die den Namen des Schlägers veröffentlicht hatte, versuchte Kunze seinen Mandanten als bloßen „Globalisierungsgegner“ darzustellen. Ohne Erfolg, das Oberlandesgericht hielt die Namensnennung in der taz für rechtens.

Sein Mandant, hatte Kunze ausgeführt, sei nur wegen der „multinationalen Konzerne“, die „die sozialen Anliegen der Arbeitnehmer“ und „die Existenz der Völker“ gefährdeten, der NPD-Jugendorganisation „Junge Demokraten“ (JN) beigetreten. Die Behauptungen des Anwalts widerlegen auch die weiteren Aktivitäten seines Ex-Mandanten nach der Gewalttat. Kaum eine NPD-Großveranstaltung in der Bundesrepublik, die der Stadthagener nicht besucht haben soll. Mit der „Kameradschaft Weser Ems“ wollte er offensichtlich gar eine Bürgerversammlung in Dörverden gegen das Neonazizentrum „Heisenhof“ stören. Die Aktion misslang. Auf dem Gelände des Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger haben Anwohner den Jugendlichen schon oft gesehen. Er ist allerdings nicht der einzige „Heisenhofer“, der sich vor Gericht wegen Gewalttaten verantworten muss. Am 21. Dezember fuhr Sascha Jörg S. auf dem Parkplatz der Berufsbildenden Schule in Dausen bei Verden gezielt einen Fotografen an, der schwer am Knie verletzt wurde. Zuvor hatte der Fotograf den NPDler mit weiteren Kameraden abgelichtet, wie sie Propagandamaterial verteilten. Noch am Abend stellte die Polizei auf dem „Heisenhof“ das Auto des Täters sicher und entzog ihm die Fahrerlaubnis. „Offensichtlich ist das Auto als Waffe eingesetzt worden“, erklärt der Verdener Polizeichef Axel Rott. Die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Unfallflucht sind noch nicht abgeschlossen. Andreas Speit