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Archiv-Artikel

Alles war voll Blut

Russlanddeutsches Geschwisterpaar wurde mit schweren Verletzungen aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Polizeipräsident Dieter Glietsch: Es gibt unterschiedliche Darstellungen

Geschlagen, angespuckt, beleidigt: Der 22-jährigen Russlanddeutschen Christina B. und ihrem drei Jahre jüngeren Bruder Sergej verschlägt es jetzt noch die Sprache, wenn sie über ihre Erlebnisse in einer Gefangenensammelstelle der Polizei reden. „Ich bin seit sieben Jahren in Deutschland, aber das habe ich nicht für möglich gehalten“, sagt Christina B. Kiefernbruch, Gehirnerschütterung, Hämatome im Gesicht, Prellungen am Körper sind nur einige der Verletzungen, die die beiden in der Nacht des 5. Dezember in Polizeigewahrsam davon getragen haben.

Polizeipräsident Dieter Glietsch verwies gestern im Innenausschuss darauf, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizisten eingeleitet hat. Aber auch gegen die Geschwister wird ermittelt. „Es gibt sehr unterschiedliche Darstellungen“, so Glietsch. Er wolle deshalb keine Bewertung abgeben.

Unstrittig ist, dass Christina und Sergej B. sowie ein Freund in der besagten Nacht angetrunken aus einer Diskothek gekommen waren. Auf der Karl-Marx-Straße in Neukölln hatten die drei eine Auseinandersetzung mit einer Gruppe gebürtiger Türken. Laut Glietsch soll einer der Türken eine Flasche auf den Kopf bekommen und die Russlanddeutschen bei der eintreffenden Polizeistreife angezeigt haben. Die drei wurden zur Gefangenensammelstelle in der Friesenstraße mitgenommen.

Über das, was dort passierte, gehen die Schilderungen weit auseinander. Die beteiligten Beamten haben Glietsch zufolge zu Protokoll gegeben, dass Christina B. wild um sich getreten habe. Sie sei deshalb „zu Boden gebracht“ worden. Dabei seien die Verletzungen im Gesicht entstanden. Auch ihr Bruder B. habe nur unter Inkaufnahme von Verletzungen gebändigt werden können. Die Kopfwunde habe Sergej B. sich selbst beigebracht, indem er seinen Kopf mutwillig gegen ein Zellengitter geschlagen habe.

Christina B. sagte demgegenüber zur taz, ein Beamter habe sie am Hals gepackt und mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Sie sei bewusstlos geworden. „Ich sah, wie meine Schwester auf dem Boden lag und wollte zu ihr. Alles war voll Blut “, berichtet ihr Bruder Sergej. Dann sei auch er zu Boden geworfen und zusammengeschlagen worden. „Ich konnte mich gar nicht wehren, ich hatte Handschellen an.“ Die Beamten hätten sie als „Russenschweine, ihr stinkt“ beleidigt und angespuckt, so Christina B., die keine Erklärung für den Vorfall hat.

Der Vorfall ist über das Antidiskriminierungsbüro an die Öffentlichkeit gelangt. Ein Mitarbeiter wies gestern darauf hin, dass die Festnahme auf der Karl-Marx-Straße von einem Fernsehteam dokumentiert worden ist. Der Film zeige, dass Sergejs Kiefer zu dieser Zeit noch in Ordnung gewesen sei.

PLUTONIA PLARRE