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Archiv-Artikel

Kombinationen in Kartons

Der Berliner Dichter und Künstler Thomas Kapielski lud im HAU 2 zum „Internationalen Verkanntentreffen“. So kam es, dass die Musiker Blixa Bargeld und Sven-Ake Johansson gemeinsam und sehr geräuschvoll das Nichts verpackten

Wenn man eine Rangliste der besten Vorleser erstellen würde, stände der Dichter und Künstler Thomas Kapielski ganz oben. Er ist ja der beste und angenehmste Vorleser von allen, seine Stimme ist toll, seine Erscheinung so angenehm lebenszugewandt und dass, was er schreibt, spendet Trost und bringt einen zum Lachen, auch wenn einem eigentlich so gar nicht danach zumute ist. Das scheint mir ohnehin die vornehmste Aufgabe von Kultur zu sein, dass sie einen zum Lachen bringt, denn was ist, ist ja doch immer unerfreulich, unschön und deprimierend.

Einmal hat der Dichter, dessen Gesicht von vorn betrachtet einer Scheibe gleicht, geschrieben: „Daß ich mein Blumenwasser mit großer Würde und Stil trinke, ist angeboren und meine Sache“, später hat er irgendeinen Bachmannpreis bekommen und alle Kulturdeppen fanden ihn plötzlich gut. Vor fast 20 Jahren war er als Pionier der Industrial Music zusammen mit seinem Kumpel Frieder Butzmann im Vorprogramm der Einstürzenden Neubauten aufgetreten. Manchmal erinnert er inzwischen an Jean Paul.

Am Montagabend präsentierte er den ersten Teil einer „Internationales Verkanntentreffen“ betitelten Veranstaltungsreihe im HAU 2. Bei den allmonatlich noch bis zum Ende der Spielzeit stattfindenden Verkanntentreffen treffen zwei von Kapielski ausgesuchte Personen aufeinander, die entweder gar nichts miteinander zu tun haben oder durch kuriose Umstände miteinander verbunden sind. Der Veranstaltungstitel wurde gewählt, weil’s gut klingt, und den Anfang machten die Musiker Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten) und Sven-Ake Johansson. Was die beiden verband, war zunächst nur, dass der Percussionist Sven-Ake Johannson früher einmal bei Blixa Bargeld was zu trinken bestellte, als der noch im „Risiko“ arbeitete, wie Bargeld erzählte. Außerdem sind beide Fans von Geräuschen. Johannson lebt jedenfalls seit 30 Jahren in Berlin, ist als Jazzer berühmt geworden und hat mit allen großen Jazzern gespielt. Als er nach Berlin kam, hat er eine Weile als Bühnenarbeiter im jetzigen HAU-Gebäude gearbeitet, in dem sich Ende der 60er auch der Avantgarde-Laden „Zodiac“ befand, der das für die 60er war, was das „Risiko“ für die 80er gewesen ist.

Die beiden waren eingeladen, was miteinander zu machen, und taten das auch. Sie passten sehr gut zusammen, fast wie ein Slapstickduo. Das war lustig. Hier der große, fast übertrieben gesund aussehende Bargeld, da der kleine, schlanke, flinke Johannson. Beide in dunklen Anzügen mit Weste, wobei das Jackett von Johannson geschlossen war. Beide hatten sich zusammen eine Suite für Verpackungsmaterial ausgedacht und machten Geräusche mit ebendiesem. Inmitten von Pappkartons standen sie an einem Schreibtisch und verpackten das Nichts. Hell einerseits, andererseits wieder abgehackt tönten die Styroporkügelchen, wenn sie in die Kartons fielen. Da und dort schabte es. Hübsch ploppte es, wenn die beiden über nebeneinander ausgerollte Teppiche aus Luftpolsterdämpfplastikdings tänzelten. Wie angenehm war doch die künstlerische Beschränkung, gerade im Gegensatz zu den angeberischschwachsinnigen Materialschlachten anderer Theater.

Am Ende der skizzenhaften Performance hatte Johannson Blixa Bargeld verpackt, und man hörte den Neubautensänger dumpf im Karton dies deutsche HJ-Lied „Der morgige Tag ist mein“ singen.

Dies dauerte eine Stunde, war sehr angenehm und zu Hause gehend überlegte man sich schöne Kombinationen für wörtlichere Verkanntentreffen. Zum Beispiel Harry Hass & Bruno S.

DETLEF KUHLBRODT