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Archiv-Artikel

Die SPD streitet sich über Bildungspolitik

Entwurf für den Parteitag fordert Gemeinschaftsschule für alle. Kitagebühren sollen abgeschafft, Studiengebühren gar nicht erst eingeführt werden. Partei-Rechte legt Gegenentwurf vor. Gemeinsame Arbeitsgruppe soll’s richten

In der SPD ist ein Streit um die richtige Bildungspolitik entbrannt. Anlass ist der Leitantrag für den Bildungsparteitag der Sozialdemokraten am 9. April. Diesen wollte der Landesvorstand bereits am Montagabend verabschieden. Doch das Papier, das der SPD-Fachausschuss „Stadt des Wissens“ unter Leitung von Monika Buttgereit und Peter Schuster verfasst hat, sei nicht abstimmungsfähig gewesen. Das sagte gestern Parteisprecher Hannes Hönemann. Ein klares Leitbild und eine Regelung für den Werteunterricht hätten gefehlt, die Finanzierung der Bildungsreformen sei nicht ausreichend gewesen.

Aber auch die inhaltliche Ausrichtung dürfte für Auseinandersetzungen gesorgt haben. Auf der Klausurtagung der SPD am Wochenende war das Papier als „Wunschliste“ kritisiert worden. Der rechte Parteiflügel, der Britzer Kreis, hat bereits einen Gegenentwurf vorgelegt. Jetzt hat der Landesvorstand eine zehnköpfige Arbeitsgruppe eingesetzt, die das Papier überarbeiten soll.

Der Fachausschuss, der eher dem linken Flügel der Partei zuzuordnen ist, fordert, dass alle Kinder bis zum Ende der zehnten Klasse gemeinsam und ganztags unterrichtet werden. Als erster Schritt sollen noch in dieser Legislaturperiode Gymnasien grundsätzlich erst mit dem 7. Schuljahr beginnen – und nicht, wie in einigen Ausnahmen, schon ab Klasse 5. Der Fachausschuss will wieder kostenlose Lernmittel einführen und die Unterfinanzierung von Kitas und Grundschulen korrigieren. Kitagebühren sollen noch in dieser Legislaturperiode für das letzte Jahr vor der Schule abgeschafft werden, perspektivisch soll die Kita ganz kostenfrei sein. Studiengebühren für das Erststudium lehnt der Fachausschuss ab. Einen Vorschlag zum Werteunterricht hat er nicht vorgelegt. Dieses Problem aber will Landeschef Michael Müller endlich klären.

Der Britzer Kreis will das Wertefach LER nach Brandenburger Vorbild einführen – also ein Fach für alle Kinder. Wer aber an bekenntnisorientiertem Religionsunterricht teilnimmt, kann sich von LER befreien lassen. Diese Position vertritt auch Bildungssenator Klaus Böger. Nach dem Papier der SPD-Rechten, das die Abgeordneten Fritz Felgentreu und Karlheinz Nolte geschrieben haben, sollen zunächst Studienkonten eingeführt, mittelfristig dann Gebühren nachträglich erhoben werden – wenn die AkademikerInnen einen Job haben und genug verdienen.

Zudem wollen die Britzer eine verpflichtende Reihenuntersuchung des Entwicklungsstandes aller Vierjährigen. Für Kinder, die „eine deutlich verzögerte sprachliche oder körperliche Entwicklung“ aufweisen, soll es Kitapflicht geben. Wo eine „eindeutige Verletzung elterlicher Fürsorge- und Erziehungspflichten nachweisbar ist und die Eltern Erziehungsangebote ausschlagen“, sollen Sozialhilfe oder das Kindergeld gekürzt werden. In der Schulanfangsphase soll die Größe der Klassen, in denen mehr als 40 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunft sind, auf 20 Kinder beschränkt werden. Am 31. Januar will der Landesvorstand über den Leitantrag entscheiden. SABINE AM ORDE