: Geld, Suff, Weiber
Heruntergekommene Berufe: Der Minister (Fachmann für paradiesische Zustände)
In der Ukraine werden Minister schon mal erschossen, im Irak sprengt man sie gleich bündelweise in die Luft, der Afrikaner füttert mit ihnen die Krokodile oder er verspeist sie wie Bokassa gleich selber mit grünem Pfeffer zum Abendbrot. Bei uns ist das alles verboten. Bei uns ist der Ministerberuf so ungefährlich, dass er selbst vom so genannten schwachen Geschlecht ohne Bedenken ausgeübt werden kann.
Ob dieser paradiesische Zustand die Qualität der Ministerarbeit befördert, muss leider verneint werden. Es dürfte nämlich schwer fallen, hierzulande einen noch heruntergekommeneren Berufsstand zu finden als den des Ministers. Außer den des Maklers. Aber selbst dieser Straßenräuber wird gezwungen, sich wenigstens die rudimentärsten Spielregeln der Zivilgesellschaft einzuprägen, während jemand dumm wie ein Brot und trotzdem jahrzehntelang Minister sein kann. Genau genommen ist die zephale Hohlheit eine herausragende, wenn nicht die wichtigste Voraussetzung für dieses Amt. Des Weiteren gehören dazu eine belastbarer Magen- und Darmtrakt, exzellente Leberwerte und – zumindest in unseren Breiten – das Mitgliedsbuch einer nominell demokratischen und der Menschheitsbeglückung verpflichteten Partei. Früher allerdings haben Minister keinen Bürger je um den Schlaf gebracht. Das ist heute anders. Was ist da schiefgelaufen?
Vorbei die Zeit eines Mustergültigen wie Josef Ertl, der, als die FDP das Kabinett Schmidt torpedierte, traurig seine Tasche packte und zum Kanzler schritt, um sich anständig zu verabschieden. Helmut Schmidt sah den schweren Mann irritiert an. „Ich war ihr Landwirtschaftsminister“, half Ertl nach. Da dämmerte es dem Kanzler, und er wünschte ihm „alles Gute, lieber … – äh“ – „Ertl“, half Ertl.
Solche Minister waren keine großen Leuchten, aber helle genug, um dem rätselhaften Fatum, das ihre Wenigkeit mit Dienstdaimler, blutjungen Sekretärinnen und beachtlichen Pensionen ausgestattet hatte, nicht durch sinnlosen Aktionismus in die Parade zu fahren. Sie stellten sich auf zum Gruppenfoto, machten ein paar schöne Auslandsreisen, traten zurück, irgendwann verlas Herr Köpcke von der „Tagesschau“ einen fahrig hingeschusterten Nachruf und sie waren vergessen. Diese Minister besaßen Demut. Demut vor der Beschränktheit menschlichen Waltens und Demut vor dem Amt. Ihre Nachfolger kennen dieses Wort nicht mehr. Sie wollen wie Schlagermaus Gitte „alles und zwar sofort“. Privilegien, Prominenz, Geld, Suff, Weiber en gros, und obendrein wollen sie auch noch gestalten. Das kann nicht gut gehen und zieht Fürchterliches magisch an.
Bei Joseph Fischer zum Beispiel ist es ein zyklisches Ab- und wieder Anschwellen, was nicht nur im ministeriellen Ehebett zu ständigen Irritationen führt. Auch auf dem internationalen Diplomatenparkett weiß man oft gar nicht mehr, wer da wieder heranhechelt, um einen deutschen Hochsitz im Sicherheitsrat einzufordern: Fischer? Rainer Calmund? Dick oder Doof?
Es lässt tief blicken, dass Fischer der beliebteste Minister im Lande ist, weit vor dem klinisch hyperaktiven Clement oder den sprechenden Rollmöpsen Ulla und Renate Schmidt. Ganz zu schweigen von Otto Schily, dessen Physiognomie immer weiter ins unappetitlich Riesenschildkrötenhafte driftet.
In der Provinz hat die Hybris der Ministerkaste mittlerweile eine Politikwüste aus Wahn und Willkür hinterlassen. Wie das Tagebuch des niedersächsischen Wissenschafts- und Kulturministers Lutz Stratmann beweist. Hier ein Auszug: „Montag: Eröffnung Herbstmarkt Bakum, anschließend Umtrunk mit Dorfschlampen im Gasthaus Meistermann. Mann, war da was los. Nachmittags: schwere Kopfschmerzen, Kürzung der Theatersubvention um 2 Millionen €. Dienstag: Liquidierung der geisteswissenschaftlichen Fakultät Hannover. Abends Verleihung des Staatspreises an die Schriftstellerin Felicitas Hoppe. Schlechte Laune, weil kein Umtrunk. Mittwoch: Eröffnung des Filmfestes Braunschweig. Stinklangweilig! Nachmittags Pressekonferenz. Thema: Rasur der Filmförderung. Donnerstag: Festival Theaterformen abgeschafft, dann ab nach Berlin, Einladung von DaimlerChrysler. Abends reichlich angeschickert wieder nach Braunschweig. Verleihung Zukunftspreis. An wen, hab ich vergessen, das grandiose Gelage nicht. Freitag: Stützbier und ausgiebiges Nickerchen beim ‚Deutschen Vorlesetag‘ in Oldenburg, später heftiger Absturz beim Symposion ‚Havarie im Windpark‘. Samstag: Mit Höllenkater Ausstellungseröffnung im Landesmuseum Osnabrück‚ 25 Jahre Denkmalschutz – 400.000 Jahre Geschichte‘, echter Bockmist, immerhin umsonst gefrühstückt, aber kein Bier da! Zuschüsse müssen unbedingt eingefroren werden.“ Ein Verfahren, das deutschen Ministern ebenfalls ganz gut tun würde.
MICHAEL QUASTHOFF