Brechmittel gefährdet Koalition

Die Bremer SPD droht dem Regierungspartner CDU: Schluss mit Brechmitteleinsätzen, sonst ist der politisch verantwortliche Innensenator Röwekamp gefährdet. Und die große Koalition gleich mit

AUS BREMENKLAUS WOLSCHNER

Die SPD verlangt via Landesparlament vom Bremer Senat das definitive Ende von Brechmitteleinsätzen. Das ist ein kaum verhohlener Angriff auf die CDU innerhalb der großen Koalition. Denn wenn die CDU nicht einlenkt und dem SPD-Antrag zustimmt, dann werden dem Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) dringend benötigte Stimmen fehlen. Die Grünen jedenfalls fordern den Rücktritt – und haben daher einen Misstrauensantrag gegen den Mann gestellt, der politisch die Verantwortung für den Tod eines Afrikaners im Polizeigewahrsam trägt.

Innensenator Röwekamp „habe noch einmal Gelegenheit, das Vertrauen der SPD zu gewinnen“, erklärte SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen. Erst am kommenden Montag werde man entscheiden, wie man mit dem Misstrauensantrag der Grünen umgehe. So wächst sich der Brechmittel-Skandal zu einer handfesten Koalitionskrise aus. Auf die Palme brachte die SPD die Art und Weise, wie der Innensenator mit dem Fall umging und wie die CDU auf ihrem Neujahrsempfang den Innensenator feierte.

Hinter vorgehaltener Hand gerät auch Bürgermeister Henning Scherf aus Reihen der SPD in die Kritik. Er ist in Personalunion auch Justizsenator der Hansestadt – und daher mitverantwortlich für den Einsatz von Brechmitteln gegen mutmaßliche Drogendealer, notfalls mit Gewalt.

Scherf hat sich in den vergangenen zwei Wochen aus der Debatte herausgehalten und überlässt der CDU das Feld. Aber nicht nur das kreiden ihm die eigenen Genossen an. Im Haushalt 2005 stehen satte 549 Millionen Euro an „Einnahmen“, die de facto eine Fortsetzung der Sanierungshilfe bedeuten würden. Scherf verbreitet den Eindruck, dass der Bundeskanzler diese Hilfe zugesagt und dass Bremen darauf quasi dauerhaft einen Anspruch habe – nach einem Brief aus dem Jahre 2000, dem in Bremen inzwischen sagenumwobenen „Kanzlerbrief“.

Seit Monaten warten die Haushaltspolitiker und im Grunde auch der Bremer Finanzsenator darauf, dass Scherf diesen Scheck einlöst. Ansonsten muss das offizielle Ziel der Sanierungshilfen, ein verfassungskonformer Haushalt 2005, als gescheitert erklärt werden. Zu diesem wichtigen Thema schweigt Scherf auch, immer wieder gibt es Gerüchte über ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Kanzler, bei dem der Kanzler von dem langen Bremer Bürgermeister festgenagelt werden soll. Bremens Zukunft hängt an dem Anspruch weiterer Sanierungshilfen.

Die CDU hat bereits im Oktober intern besprochen, dass mit einem Scheitern der Bremer Ansprüche zu rechnen ist und dass dann Scherf zu einem „Offenbarungseid“ gezwungen werden soll. Wenn nun auch die SPD-Spitzen sich veranlasst sehen, „Vorschläge zur Zukunftssicherung unseres Bundeslandes“ zu machen, dann bedeutet das: Auch sie glauben nicht mehr an ihren Spitzenmann Henning Scherf und den „Kanzlerbrief“, mit dem der seit dem Jahre 2000 hausieren geht.