: Der Herr der Schiffe
Wie es dem ehemaligen Springer-Vorstand Peter Tamm gelang, seine privaten Träume auf Kosten der Stadt Hamburg zu verwirklichen
aus Hamburg Petra Schellen
Mies ist die Stimmung im Staate Hamburg. Fast möchte man sagen: gereizt. Denn wen man auch fragt unter jenen Hamburger Museumsdirektoren, die vorigen Freitag erstmals die Pläne des Hamburger Schiffsmodell-Sammlers Peter Tamm sehen durften: Die Reaktionen reichen bis zu offener Aggression. Dass es unerhört sei, dass „jedes private Treffen“ gleich in der Presse lande, ereifert sich etwa Wilhelm Hornbostel, Chef des Museums für Kunst und Gewerbe, der kürzlich eine Zuwendungserhöhung von 300.000 Euro bewilligt bekam und der wohl nie mehr gegen das geplante „Internationale Schifffahrts- und Meeresmuseum Peter Tamm“ in der Hafencity wettern wird. Schade, denn vor Jahresfrist hatte er noch anders geredet: Von einer „Kannibalisierung der Museumslandschaft“ war damals die Rede gewesen – ein Ausspruch, auf den er sichtlich stolz gewesen war.
Das sei alles kein Problem, wiegelt Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) ab. Genauso wenig wie die Frage nach Überschneidungen mit dem Museum für Hamburgische Geschichte, dem Altonaer Museum und dem Museum der Arbeit; sie alle bergen Schiffe. Auch das Fehlen eines externen Kurators für die Umwandlung der privaten in eine öffentliche Sammlung macht ihr nichts aus: „Herrn Tamms Bereitschaft, Rat anzunehmen, ist merklich gestiegen“, lautet die schmale Erfolgsmeldung der Senatorin. Außerdem habe man sich mit Tamm jetzt auf einen „Jour Fix“ mit ausgewählten Museumsdirektoren geeinigt, um solche Probleme zu erörtern.
Zu erörtern, wohlgemerkt, nicht zu lösen, und von Mitbestimmung der Kulturbehörde oder der Museumsdirektoren ist da nicht die Rede. Doch was soll sich die Senatorin grämen; den Beschluss, die Privatsammlung des Ex-Springer-Vorstandschefs zur öffentlichen zu machen und mit 30 Millionen Euro zu bezuschussen, fand sie schließlich bei Amtsantritt vor. Dazu wird Tamm eins der schönsten denkmalgeschützen Speichergebäude der künftigen Hafencity erhalten – den 1878 gebauten Kaispeicher B mit seinen 15.000 Quadratmetern auf zehn Stockwerken. Ganz en passant soll dort die stark militaristisch geprägte Privatsammlung Tamms in eine öffentliche verwandelt werden, ohne dass eine Kontrolle bei der Aufbereitung der unter anderem mit Hakenkreuzen bestückten Exponate vorgesehen wäre.
Ein Problem, das Tamm so nicht sieht. „Wir wollen nur das Beste für Hamburg“, sagt auch seine Kuratorin Russalka Nikolov. Einen wichtigen Touristenmagneten der Hafencity werde man so schaffen, sagt Nikolov, und das glauben Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und sein Finanzsenator Wolfgang Peiner offensichtlich auch. Ein „emotionales Erleben vergangener Epochen“ wolle man dem Betrachter ermöglichen, mit Leib und Seele soll er – so das Konzeptpapier – „ins Schlachtgetümmel vergangener Jahrhunderte“ eintauchen können. Und dass Tamms Sammlung – neben 27.000 Schiffsmodellen jeglicher Größe und Konsistenz – auch Dolche und Hakenkreuz-Porzellan enthält: Wen störte das bisher schon? Über Kriege – auch über das, was Feldherren vergangener Tage hätten besser machen können – redet er gern, der Ex-Springer-Vorstandschef. Kämpfe auf See faszinieren ihn.
Auch ein starkes Faible für Waffen wird einem der – immer noch – mächtigsten Männer Hamburgs angelastet. Ein Vorwurf, der sich leicht erhärten lässt. Denn Minen, Kanonen und Torpedo-Boote warten, wo sonst Blumenrabatten stehen: Tamm hat aus dem Garten seines Hauses in der noblen Elbchaussee einen Waffenpark gemacht, dessen Exponate man von jeder Hafenrundfahrt aus sehen kann.
Eigentlich Publicity genug, aber er will mehr, der „Schiffs-Fanatiker“ (O-Ton Tamm), der 1948 bei Axel Springers Abendblatt begann, bald Schifffahrtsredakteur wurde und in der Folge seine Kontakte zu Reedern derart ausbaute, dass sie ihm Nachlass auf Nachlass vermachten. Unumstritten sind in der Tat Bibliothek und Archiv der Sammlung; Tamm besitzt 50.000 weltweite Schiffs-Konstruktionspläne sowie 120.000 Bücher.
Hätte man aus dem Tamm‘schen Beständen also lieber eine Bibliothek destillieren sollen? Nein, unmöglich; so etwas kann nie Touristenmagnet werden, und den brauchen Hamburgs Stadtväter dringend als Highlight der noch auf Jahrzehnte im Bau befindlichen Hafencity. Und so wird man den Besuchern also die Schiffsmodelle zeigen. „Jedes von ihnen hat eine Geschichte“, so Tamm. Doch wie er sie erzählen wird, welchen Stellenwert museumsdidaktische Überlegungen einnehmen werden: Man weiß es nicht. Sicher, auch Bibliothek und Archiv werden ihren Platz finden, in einem 2.000 Quadratmeter großen Nebengebäude.
Doch darauf richtet sich nicht zuvörderst das Interesse des Tamm-Freundes und Finanzsenators Peiner: Nein, zum Touristenmagneten soll Hamburg durch die Investition werden; unwichtig wird da, dass die übrigen Hamburger Museen am Existenzminimum darben. Wer kritisiert, ist böse, und argdenkend, wer daran zweifelt, dass Tamm bis Ende 2006 jene 15 Millionen Grundkapitals akquirieren wird, die zur soliden Finanzierung nötig sind. Eine Million habe man schon, sagt Russalka Nikolov, fünf Weitere seien zugesagt. „Aber zur Not können wir auch mit dreien arbeiten. Und wir glauben fest daran, dass wir es schaffen werden. Und das sollten Sie auch.“ Und zwar am liebsten genauso stark wie all jene Hamburger Springer-Journalisten, die jederzeit in Jubel über den Ex-Vorstandschef auszubrechen bereit sind. „Was Sie berichten, ist einfach zerstörerisch“, sagt Nikolov denn auch auf kritische Fragen der taz.
Kein Wunder, denn eines braucht sie dringend: das Wohlwollen der Bevölkerung und vor allem potenzieller Sponsoren. Und so heißt es denn: mithilfe des beliebten „Ideologie“-Vorwurfs einschüchtern und kontrollieren – was Peter Tamm denn auch gleich zu Beginn eines (angemeldeten) Journalistenbesuchs tut. Denn der kann keinesfalls unbeobachtet durch den waffenstarrenden Garten wandeln, vom Balkon aus beäugt wurd‘ er schon lange. „Wie ich sehe, haben Sie sich schon ein wenig umgeschaut auf fremdem Terrain“, begrüßt einen ein schlecht gelaunter Hausherr. Der sich ansonsten gern als Wohltäter inszeniert, der um seine Sammlung trauert und der deren 2,3 Millionen Betriebskosten selbst erwirtschaften will.
Und wenn es nicht gelingt? Ach was! Die Senatorin glaubt ihm jedenfalls, und Kuratorin Nikolov sagt, dass man der Stadt „auf keinen Fall auf der Tasche liegen“ wolle. „Wir bemühen uns redlich und glauben fest, dass diese Summe zusammenkommen wird.“
So bleibt dem staunenden Beobachter nur eins: das anhaltende Verwundern über eine stadtweite Verschwörung, die kritische Gedanken als echte Zumutung empfindet. Denn beschlossen ist, nicht nur an die solide Finanzierung des Museums zu glauben, sondern auch an die historisch korrekte Beschriftung der Exponate.
Und doch ... allerorts spürt man Hilflosigkeit wachsen angesichts der Tatsache, dass Tamm wenig geneigt ist, andere mitbestimmen zu lassen. Erst auf Druck der Kultursenatorin war er zum Beispiel bereit, jene zehn innenarchitektonischen Entwürfe, die Resultat einer Ausschreibung sind, vorige Woche anderen Hamburger Museumsdirektoren vorzustellen. „Dieses Treffen diente der reinen Information über den Stand der Dinge. Aber wir waren keine Jury oder so etwas“, sagt Gisela Jaaks, Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte, die sich durchaus sorgt angesichts der wachsenden Konkurrenz. Doch das Museum Tamm, sagt sie, „ist politisch gewollt“.
Dabei ist abzusehen, dass das neue Museum den anderen Häusern Interessenten entziehen wird. Und natürlich wird sich dies als Besucherschwund in deren Statistiken niederschlagen. Denen man dann wiederum Gelder entziehen kann – wegen schlechten Wirtschaftens. Perspektiven, die niemanden fröhlich stimmen, zu denen aber auch Hamburgs Opposition schweigt. Aus Verzagtheit? Bekehrung? Läuterung gar? Nein, nichts von alldem; die Antwort ist schlichter: Selbst angeregt hatte der rot-grüne Senat 2001, dass die Tamm‘sche Sammlung in die Hafencity ziehen solle; mühsam also jetzt, dagegen zu wettern. Welch ein Pech.