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Archiv-Artikel

Gegen die Wand

Thomas Haas kämpft bei den Australian Open gegen die Hitze und verliert gegen den Slowaken Karol Beck. Danach ist er so ratlos wie Rainer Schüttler, der von Andre Agassi abserviert wird

AUS MELBOURNE DORIS HENKEL

Der eine hatte „Beine wie Gummibänder“ und dachte, er laufe vor die Wand, der andere erlebte „mehr als einen Alptraum“ und verschwand. Melbournes Rod Laver Arena war am Mittwoch kein Ort für deutsche Hoffnungen; in der Mittagshitze verlor Tommy Haas gegen den Slowaken Karol Beck (7:5, 6:2, 2:6, 6:7, 3:6), und als es sich deutlich abgekühlt hatte und Wind aufgekommen war, ging Rainer Schüttler gegen Andre Agassi unter (3:6, 1:6, 0:6). Schwer zu sagen, welche der deutschen Niederlagen an diesem ersten wirklich heißen Tag mit Spitzenwerten um die 33 Grad deprimierender war.

Die von Haas? Für jemanden, der seit mehr als zehn Jahren in Florida lebt, sind 33 Grad nichts Ungewöhnliches, und Haas meinte nach der Niederlage auch, mit solchen Bedingungen habe er normalerweise kein Problem. Etwas mehr als eine Stunde lang liefen die Dinge gegen Beck leidlich nach Plan; er spielte zwar nicht großartig, steigerte sich aber nach gewonnenem erstem Satz und gewann den zweiten klar. Mitte des dritten allerdings, zu einem Zeitpunkt, als er dachte, er habe alles unter Kontrolle, spürte er, dass er keine Kraft mehr in den Beinen hatte. Ehe er dieses Gefühl richtig eingeordnet hatte, war der dritte Satz weg, und da Beck merkte, dass auf der anderen Seite etwas nicht in Ordnung war, wurde die Sache für Haas doppelt schwer. Er ahnte, dass er sich auf längere Ballwechsel nicht mehr einlassen konnte, suchte die schnelle Entscheidung und machte dabei zu viele Fehler. Und je länger das Spiel dauerte, desto schlechter ging es Haas. Am Ende war er geplagt von Magenkrämpfen, versuchte sich immer wieder in den Schatten zu flüchten und hatte den Sieg längst aus den Augen verloren. Nach dreieinhalb Stunden war die Tortur vorbei, Haas suchte sich in der kühlen Kabine ein ruhiges Plätzchen und versuchte zu begreifen, was ihm passiert war. Er fühlte sich richtig mies, ging zum Doktor, und der hängte ihn an den Tropf. Seine Beschreibung, vor eine Wand gelaufen zu sein, die schmerzenden Beine und die Maßnahme des Arztes lassen vermuten, es habe sich um einen Fall von Dehydration gehandelt. Er selbst meinte, die durch die Leistenzerrung erzwungene Trainingspause sei verantwortlich für die Malaise. Wie auch immer: Die Rückkehr zu den Australian Open nach zwei Jahren Pause endete mit Frust und mit dem Heimflug weit vor dem erhofften Termin.

Oder war doch Rainer Schüttlers Niederlage schwerer zu verkraften? Der hatte vor dem Spiel gesagt, vielleicht werde es ihm gelingen, sich gegen Agassi „in einen kleinen Rausch reinzuspielen“. Eine hoffnungsvolle Viertelstunde lang sah es so aus, als könne daraus womöglich was werden. Bis zum Stand von 2:2 brachte er seine Aufschlagspiele souverän durch, hatte insgesamt fünf Chancen zum Break und wirkte so zielstrebig wie schon lange nicht mehr. Doch auch aus der fünften Chance wurde nichts, stattdessen gab er seinen Aufschlag zum 2:3 ab, und damit hatte sich die Hoffnung auf den kleinen Rausch verflüchtigt. Was übrig blieb, war die bloße Ernüchterung. Vom Moment des Breaks bis zum Ende verging nicht viel mehr als eine Stunde; eine Stunde, die Schüttler weitaus schlimmer vorkam als die Niederlage gegen Agassi im Finale an gleicher Stelle vor zwei Jahren (2:6, 2:6, 1:6). Damals, sagte er hinterher, sei das Finale schon ein großer Erfolg gewesen und er habe von Anfang an definitiv keine Chance gehabt, diesmal habe er Gelegenheiten zu Beginn nicht nutzen können, und das sei viel, viel bitterer gewesen. „Ich war schon relativ hilflos“, gab er zu und wusste nur eine Antwort auf die Frage nach den Gründen: Er sei halt immer noch nicht fit.

Zusammengefasst sieht die Sache der ersten vier des deutschen Männertennis nun also so aus: Nicolas Kiefer verliert, weil er unter Angstzuständen leidet; Florian Mayer verliert, weil er sich schlapp und müde fühlt; Haas verliert, weil ihn in der Hitze die Beine nicht mehr tragen, und Schüttler trudelt in eine Niederlage, weil er meilenweit von jener Form entfernt ist, die er mal hatte.