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Archiv-Artikel

Da raucht der Schornstein

Thyssen darf den neuen Hochofen in Hamborn bauen, sagt die Stadt Duisburg – aber nur unter Auflagen. Ob sich damit die Emission von Schadstoffen wesentlich verringert, ist allerdings umstritten

von Susanne Gannott

Bei dieser Nachricht müsste der Stahlstandort Duisburg eigentlich jubilieren: Für rund 200 Millionen Euro will die ThyssenKrupp Stahl AG im Stahlwerk Hamborn einen neuen Hochofen bauen. Bei der Stadt Duisburg ist die Freude über das Bekenntnis zum Standort allerdings getrübt: Zwar gab der Umweltausschuss des Stadtrats am Mittwoch sein „gemeindliches Einverständnis“ zur Genehmigung. Trotzdem habe er wegen des Antrags einige „Sorgen und Bedenken“, erklärt Umweltdezernent Peter Greulich.

Das Problem sei, dass schon jetzt die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Feinstäube im Duisburger Norden regelmäßig überschritten werden. Und daran werde der neue Hochofen 8 alleine nichts ändern: Auch wenn er dank modernster Technik wesentlich weniger Lärm und Dreck produziere, als der Hochofen 4, den er ersetzen soll, bleibe man weiter über den erlaubten Werten. „Die Stadt verbindet daher ihre Zustimmung mit Sanierungsmaßnahmen auf dem gesamten Betriebsgelände, damit die Emissionen insgesamt sinken“, so Greulich.

Wenn Thyssen diese Auflagen erfüllt, könnten die Grenzwerte 2005 erstmals eingehalten werden, sagt der grüne Ausschussvorsitzende Gerhard Schwemm. „Dass ist die Prognose des städtischen Umweltamts.“ Da hat die Bürgerinitiative (BI) gegen Umweltgifte Duisburg-Nord allerdings erhebliche Zweifel: „Der Antrag von Thyssen ist so katastrophal, dass auch die Behörde an vielen Punkten nicht richtig rechnen konnte“, sagt BI-Mitglied Michael Lefknecht, von Beruf Arzt für Umweltmedizin. Er halte daher die Auflagen der Stadt für „völlig unzureichend“. Davon abgesehen seien das ohnehin nur Vorschläge, die der Regierungspräsident als Genehmigungsbehörde zwar berücksichtigen kann, aber nicht muss.

Die BI will jedenfalls auf dem öffentlichen Erörterungstermin am 25. Januar weitere Einwände gegen das Bauvorhaben vorbringen. „Wir werden herausarbeiten, dass Thyssen falsch gerechnet hat“, verspricht BI-Mitglied Wilfried Mohr. Nach den Berechnungen der Initiative wird die Umweltbelastung mit Feinstäuben, Nickel und anderen Schadstoffen auch künftig so hoch seien, „dass der Hochofen nach dem neuen EU-Recht nicht zu genehmigen ist“, so Mohr.

Tatsächlich hatten dies auch die Experten des Duisburger Umweltamts in ihrer ersten Vorlage für den Umweltausschuss geschrieben. Dass aus diesem „nicht genehmigungsfähig“ jetzt ein „Einverständnis wird erteilt“ geworden ist, obwohl sich an den grundsätzlichen umweltpolitischen Bedenken nichts geändert habe, ist für Lefknecht ein sicheres Zeichen für „politische Rücksichtnahmen“ des grünen Umweltdezernats gegenüber dem Thyssen-Konzern.

Die BI hatte schon im Vorfeld der Ausschusssitzung die Befürchtung geäußert, dass die Duisburger Politiker womöglich nicht ganz unvoreingenommen über den neuen Hochofen entscheiden. Denn pikanterweise traf sich der Umweltausschuss zu der entscheidenden Abstimmung ausgerechnet in den Räumen des Antragstellers – also bei ThyssenKrupp. „Das ist natürlich bedenklich und entspricht nicht gerade dem, was man einen sensiblen Umgang mit problematischen Geschichten nennen kann“, so Mohr. Gerade nach den „peinlichen Vorwürfen“ über käufliche Politiker, die derzeit auf Bundesebene für Aufruhr sorgen. Ausschussvorsitzender Schwemm findet dieses Vorgehen „nicht problematisch“. Es käme oft vor, dass die Ausschüsse außer Haus tagten. Und dass Thyssen in der Sitzung noch einmal sein Bauvorhaben präsentieren durfte, „ist auch üblich“.

Nach all den Querelen erwartet BI-Mitglied Lefknecht für den weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens einen „heißen Tanz“. Zwar glaubt er nicht, dass die BI letztlich den Bau des Hochofens verhindern kann. Aber schließlich sei am 1. Januar die neue Feinstaubrichtlinie der EU in Kraft getreten. Wenn daher die Schadstoffwerte in Hamborn oder anderswo künftig ein gewisses Maß überschreiten, können die Bürger das Land NRW verklagen. Das müsse dann vielleicht sogar eine bereits erteilte Genehmigung widerrufen. „Das Land muss jetzt für die Einhaltung der Werte sorgen. Das ist ein echter Fortschritt.“