: SPD: „Weiter wie bisher“ geht nicht
SPD-Spitzenpolitiker präsentierten eine schonungslose Bilanz der Sanierungspolitik und der Lage der großen Koalition. Die müsse sich einen „Ruck“ geben, „sonst hat sie keine Berechtigung“. Grüne fordern Neuwahlen. CDU: Wir stehen zu Scherf
Bremen taz ■ Eine „ehrliche Bilanz“ sei angesagt nach der Phase der Sanierungshilfe, erklärte gestern der SPD-Landesvorsitzende Carsten Sieling, und zusammen mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Jens Böhrnsen fügte er gleich eine Bilanz des Zustandes des Koalition dazu. Die Sanierungspolitik habe das Ziel der Haushaltssanierung „nicht erreicht“, so steht es in einem gemeinsamen Papier der beiden SPD-Spitzenpolitiker, und die große Koalition, meinte Böhrnsen, müsse einen „Ruck“ erfahren – „sonst hat sie keine Berechtigung“. In ihrem derzeitigen Zustand sei die Koalition „schwerlich in der Lage, die Herausforderungen zu meistern“.
Dabei sahen die beiden SPD-Politiker das Problem keineswegs nur auf der Seite der CDU. Auf SPD-Seite liegt es ihrer Ansicht nach offenbar in der Person von Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Der solle „endlich Klarheit“ schaffen darüber, „wie viel Geld Bremen aus dem Kanzlerbrief zu erwarten hat“. Diese „Ungewissheit“ trage zur Lähmung der Politik bei. „Passives Abwarten“ oder ein „weiter so wie bisher“ gehe nicht. Wenn Berlin nicht die „berechtigten Ansprüche“ Bremens auf eine angemessene dauerhafte Finanzierung anerkenne, müsse „unverzüglich“ Verfassungsklage vorbereitet werden.
„Mit Verwunderung“ habe er das Papier zur Kenntnis genommen, konterte Scherf gestern postwendend per Pressemitteilung, „die darin vertretenen Positionen und Perspektiven wurden mit mir im Vorfeld nicht erörtert“. Geradezu versöhnlich bittet er dann – „bei allem Verständnis auch für selbstkritische Positionsbestimmungen“ –, die „unbezweifelbar erreichten großen Erfolge der gemeinsamen Arbeit nicht klein zu reden. Die große Koalition hat vieles erreicht. Und – darin stimmen wir überein – hat noch vieles zu tun. Ich will meinen Beitrag zum Gelingen beitragen.“
Die CDU nahm Scherf gestern in Schutz. Die Kritik seiner Partei und Fraktion sei „völlig überzogen“, die Union stehe „eindeutig zu Bürgermeister Henning Scherf“.
Es sei eine „Illusion“ gewesen, mit Wirtschaftsförderung die Haushaltssanierung erreichen zu wollen, stellten dagegen Sieling und Böhrnsen fest. Die „Investitionslücke“ sei geschlossen, Investitionsprojekte wie das Visionarum, wo der Staat 30 Millionen und der private Investor eine Million geben soll, könne sich Bremen nicht mehr leisten. „Kaputt sparen“ dürfe man Bremen aber auch nicht – was in diesem Jahr nicht über den Kanzlerbrief komme, solle über neue Kredite finanziert werden.
Auf der Seite der CDU kritisierte Böhrnsen die „Profilierungsgelüste“ von Bausenator Jens Eckhoff. Der habe öffentlich über eine schwarz-grüne Koalition spekuliert und auch durch seine „öffentliche Abkanzelung“ des Wirtschaftssenators Peter Gloystein habe er „Zweifel an seiner Loyalität“ gegenüber der großen Koalition begründet. Die müsse Eckhoff rasch ausräumen.
Thomas Röwekamp müsse „erkennen, dass er nicht Innensenator einer CDU-Alleinregierung ist“. Der Todesfall im Polizeigewahrsam sei kein „Betriebsunfall“, Strafverfolgung müsse sich an den Rahmen der Rechtsstaatlichkeit halten. Die SPD erwarte „ein Signal der Nachdenklichkeit“. Über das Misstrauensvotum der Grünen gegen Röwekamp werde die SPD erst reden, wenn „Klärung in der Sachfrage“ erfolgt sei – die SPD fordert die endgültige Abkehrt von gewaltsamer Brechmittelvergabe.
Die Grünen verlangten gestern Neuwahlen. „Es ist mir unbegreiflich, wie die SPD-Spitze nach ihrer desaströsen Bilanz zu dem Schluss kommen kann, die große Koalition solle noch zwei weitere Jahre unser Bundesland regieren“, sagte Fraktionschefin Karoline Linnert. Kawe
SPD-Papier unter www.mehr-dazu.de