: Streit um Forderungen: UN-Krisengipfel verschoben
WELTWIRTSCHAFT G-20-Staaten wollen keine Macht an die UN abgeben. Abschlusserklärung überarbeitet
BERLIN taz | Er sollte eine Alternative sein zu den G-20-Treffen, und er hatte weitreichende Ziele. Doch nun ist der seit Monaten angekündigte UN-Gipfel zur Wirtschafts- und Finanzkrise, der eigentlich nächste Woche starten sollte, im letzten Moment verschoben worden: Die 192 Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf das geplante Schlussdokument einigen, in dem stehen soll, wie die künftige Weltwirtschaft gestaltet wird.
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sagte der taz am Mittwoch zwar, die Blockade habe „nichts mit den Inhalten zu tun“. Die Entwicklungsländer hätten die Verschiebung nur wegen „Terminproblemen“ gewünscht. Das sieht Jens Martens vom Global Policy Forum aber anders. Das Forum ist ein Think Tank, der sich mit Wirtschafts- und Sozialfragen beschäftigt. Die Regierungen hätten die „Vorbereitungen nicht schnell genug hingekriegt“, meint er. „Dahinter steckt ein politischer Konflikt.“
Denn die beiden Weltfinanzgipfel, die es schon gab – im November 2008 in Washington, und im April dieses Jahres in London – waren Treffen der G-20-Staaten. Dazu gehören nur die wichtigsten westlichen Industrieländer und Russland sowie einige Schwellenländer, darunter Brasilien, China und Indien. Diese versprachen etwa Steueroasen zu ächten und Hedgefonds zu beaufsichtigen. Doch die übrigen 172 UN-Staaten, so meint Experte Martens, fühlten sich vom Management der weltweiten Krise ausgeschlossen.
Miguel D’Escoto Brockmann, der nicaraguanische Präsident der UN-Generalversammlung, will das ändern. Darum lud der frühere Priester zum – wie er sagt – „G 192“-Treffen ein und entwarf ein Abschlussdokument. Darin fanden sich vielfältige Forderungen: eine globale Steuer- und Wettbewerbsbehörde bei der UNO, globale Steuern, etwa auf Finanztransaktionen, auf Treibhausgase und auf Umweltschadstoffe. Zudem brachte er die Ablösung des Dollars als Reservewährung ins Spiel. Vielen G-20-Ländern ging das aber zu weit, etwa die Briten und Franzosen sperrten sich.
Mit dem mittlerweile überarbeiteten Entwurf sind sie nun zufriedener. Darin werden ein globaler Wirtschaftsrat bei der UNO und sieben Arbeitsgruppen gefordert. Zudem soll eine Charta für nachhaltiges Wirtschaften entworfen werden. Viel Konkretes ist das nicht, D’Escoto hatte sich mehr gewünscht.
Er hatte auch alle Regierungschefs aufgerufen, selbst teilzunehmen: „Wir haben jetzt die Chance und die Verantwortung, nach Lösungen zu suchen, die die Interessen aller Nationen berücksichtigen, der reichen und der armen, der großen und der kleinen.“ Für die Bundesregierung nimmt allerdings nur Heidemarie Wieczorek-Zeul teil. Das sei „regierungsintern so entschieden worden“, hieß es. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) reise erst im September wieder zu einem Finanzgipfel, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Damit meinte er das nächste G-20-Treffen. HANNA GERSMANN