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Archiv-Artikel

Gereizte Stimmung am See

GRIEBNITZSEE Im Prozess um die Klagen von Anwohnern gegen einen öffentlichen Uferweg steht die Stadt Potsdam vor einer Niederlage. Das Oberverwaltungsgericht trifft sich zu einem Ortstermin

Die Stadt Potsdam steht vor einer juristischen Niederlage im Griebnitzsee-Streit. Zehn Seeanrainer hatten gegen einen von der Stadt geplanten Uferpark, der teilweise ihren Privatbesitz einbezogen hätte, geklagt. „Sie müssen damit rechnen, dass wir den Bebauungsplan für unwirksam erklären werden“, sagte der Vorsitzende Richter und Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, Jürgen Kipp, am Donnerstag im Gericht. Das Gericht werde den Fall noch eingehend beraten.

Die Stadt Potsdam hat in dem seit Jahren andauernden Griebnitzsee-Streit Fehler beim geplanten Uferpark eingeräumt. Der aktuelle Bebauungsplan weise möglicherweise „kleine Mängel“ auf, sagte Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) vor der Verhandlung. Anrainer sehen durch die Pläne der Stadt ihre Eigentumsrechte verletzt und haben dagegen geklagt. Am Vormittag nahmen die Richter bei einem Ortstermin den Uferweg in Augenschein, der seit knapp zwei Monaten von Anrainern gesperrt und kein durchgängiger öffentlicher Weg ist. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte nach der Sperrung mit Enteignung gedroht.

Durch den Griebnitzsee, an dem Prominente wie Stardirigent Christian Thielemann, Filmregisseur Volker Schlöndorff und SAP-Gründer Hasso Plattner wohnen, verlief früher die deutsch-deutsche Grenze. Zu DDR-Zeiten patrouillierten in dem Sperrgebiet Grenzsoldaten. Seit der Wende wird der Weg als öffentlicher Durchgang genutzt, obgleich er teilweise über Privatbesitz führt. Im Gerichtssaal kritisierte der Vorsitzende Richter und OVG-Präsident Jürgen Kipp, die Stadt Potsdam habe notwendige Umweltinformationen beim Bebauungsplan eines Uferparks nur „lückenhaft“ veröffentlicht. Sollte der Bebauungsplan gekippt werden, rückt die angedrohte Enteignung in weite Ferne. Ein Urteil wurde für den frühen Abend erwartet. Danach kommt die Stadtverordnetenversammlung zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Diese finde „vorsorglich“ statt, betonte Bürgermeister Exner. Beobachter hingegen werten dies als Eingeständnis einer juristischen Niederlage.

Bei leichtem Regen schritten die Richter am Vormittag den Uferweg ab. Die Gruppe blieb vor den neu aufgezogenen Zäunen stehen und bat immer wieder um Ruhe unter den rund 50 Passanten, die sie begleiteten. Immer wieder gerieten Uferwegbefürworter und Privateigentümer verbal aneinander.

Stephanie Salzmann, die in zweiter Reihe ohne Zugang zum See wohnt, brachte Verständnis für die Sperrung des Wegs auf. „Ich habe drei Kinder, und es ist ein Jammer, dass sie hier nicht mehr entlangradeln können.“ Zu der angedrohten Enteignung schüttelte sie nur den Kopf. „Jüdisches Eigentum wurde damals von den Nazis enteignet, und nun soll es wieder Enteignungen geben. Das geht nicht.“ (dpa)