: Top intern
Hochkarätige Selbstbespiegelung: Die Ausstellung „Akademie. Kunst lehren und lernen“ im Kunstverein
Es wirkt wie ein romantischer Rückzug aus der Öffentlichkeit: Die neue Schau des Kunstvereins ist dem Lehren und Lernen in den Kunstakademien gewidmet. Zu sehen sind etwa eine Konferenzecke von Apolonija Sustersic, Filmexperimente aller Studenten der Klasse Eran Schaerf, virtuelle Professoren-Studenten-Beziehungen von Uli Aigner, eine dokumentierende Bloßstellung konservativer Professoren der Akademie im litauischen Vilnius durch Arturas Raila und andere Hochschulfolklore.
Manche dieser Arbeiten, so Olaf Metzels von Wahlkabinen umstellter Rektorentisch oder Marc Dions Garderobenständer aus der Hartford Art School, sind als installative Arbeiten per se durchaus interessant, verlieren aber, in den direkten Zusammenhang zurückgestellt, dem sie entstammen, fast jede sonst mögliche Wirkung. Zusammen mit einem Vortragsprogramm stellt der Kunstverein damit nicht mehr Kunst vor, sondern wird schlicht zur Außenstelle der Kunsthochschule. Die ihrerseits verleibt sich mit größerem Recht den Kunstbetrieb ein und betreibt seit kurzem eine eigene Galerie.
Die Gefahr, dass das alles unter Ausschluss des nicht direkt beteiligten Publikums geschieht, ist daher groß. Früher nannte man das l‘art pour l‘art. Der Öffentlichkeit bleibt das weitgehend egal, und das kunstinteressierte Publikum wendet sich den figürlichen Tafelbildern zu, wie sie derzeit erfolgreich die Leipziger Schule erstellt.
Da ist es schon ein mehr als ironischer Kommentar, wenn Jef Geys jetzt den Kunstverein veranlasst, für einen Aktzeichenkurs zu sorgen. Denn das Abzeichnen von Gipsabgüssen antiker Götterfiguren wurde im Kunstaufbruch der Moderne als akademisch beschimpft, späterhin so gründlich abgeschafft, dass ein normaler Kunsthochschulabsolvent heute nicht mehr über solche Fertigkeiten verfügt. Aber die Pose des Versuchs und der zur Attitüde erstarrte Bezug auf das Soziale sind inzwischen ebenso akademisch wie Neo-Pop, Neo-Konstruktivismus und andere Formalismen.
Gerade Letztere zeigte der Kunstverein mit weitgehend ermüdenden Werken übrigens in der vorangegangenen Ausstellung „Formalismus. Moderne Kunst, heute“. Der sich immer schneller recycelnde Akademiebetrieb scheint somit in hochtourigen Leerlauf verfallen. Da hilft auch kaum der Satz „Wir erwarten eine gewisse Aufmerksamkeit“, den Christian Jankowski auf ein Demo-Banner schreiben ließ. Ein bedauerliches Understatement, denn angesichts grassierender Rationalisierungen auch im Hochschulbetrieb bräuchten die Kunsthochschulen als notwendige Freiräume besondere Unterstützung.
Dass diese Ausstellung nicht kritiklos fertige Kunstprodukte zeigt, ist in Ordnung; Kunst thematisiert heute ohnehin eher die Vielzahl der Möglichkeiten, als einen festen Kanon. Aber mit der Präsentation der Bedingungen der Möglichkeiten ist eine Metaebene erreicht, bei der der Kunstverein auf ein nicht ohnehin damit befasstes Publikum wohl verzichten muss. Hajo Schiff
Di–So 11–18, Do bis 21 Uhr, Kunstverein; bis 3. 4.