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Archiv-Artikel

Es ist so heiß hier drin

Die Sängerin Malia treibt den Sekretärinnen-Soul zu neuen Ufern. Bei ihrem Konzert in Berlin zeigte sie, dass sie mehr als nur ein Frauenzeitschriftenwunder ist, weil sie die Ekstase kontrolliert

Malias Niedlichkeit mag anstrengend sein, doch das Publikum ist ergriffen

VON DANIEL BAX

Es lohnt sich auch für Männer, gelegentlich Frauenzeitschriften zu lesen. Dort lässt sich nicht nur in Erfahrungen bringen, welche Themen deren Leserinnen gerade so umtreiben oder welcher Mode sie demnächst folgen werden. Sondern auch, welche Musik sie gerade hören.

Zum Beispiel Malia. Die 27-jährige Sängerin, die in Malawi geboren wurde, in London aufwuchs und heute in Frankreich zu Hause ist, bekommt dort nur beste Noten. Eine „Gänsehaut-Stimme“ bescheinigt Brigitte der Weltenbummlerin, eine Stimme, die „wohlige Schauer über den Rücken“ jagt (marie claire) beziehungsweise „Polkappen schmelzen“ lässt (Freundin). Es wäre jedoch falsch, Malia deswegen als reines Frauenzeitschriftenwunder abzutun: Schließlich hat sie auch schon einigen Redakteuren der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung oder des TV-Kulturweltspiegels den Kopf verdreht. Die „Stimme aus der Savanne“, titelte die FAS exotisierend, erinnere an Ella Fitzgerald und, natürlich, Billie Holiday.

Das ist viel Lob für eine Sängerin, die sich auf dem dicht besiedelten Terrain zwischen Jazz, Blues und Soul bewegt. Sicherlich besitzt Malia eine recht wohltemperierte Stimme. Doch zusammen mit ihrem Ko-Autor, dem französischen Produzenten André Manoukian, wandelt sie auch auf recht konventionellen Pfaden. Insofern verwundert der Hype um ihre Person schon: Denn die Kompositionen auf ihren bislang zwei vorliegenden Alben, die sie in Paris aufgenommen hat, sind überraschungsarm, um nicht zu sagen: etwas langweilig. Mit dem elegischen Balladen auf „Yellow Daffodils“ wurde Malia vor zwei Jahren bekannt. Auf „Echoes of Dreams“, ihrem zweiten Album, gestattet sie sich nun Ausflüge in einen spröden, aber keineswegs verstörenden Funkrock.

Auf der Bühne des Berliner „Quasimodo“, einem altgedienten Jazz-Lokal, dröhnt das Fender-Rhodes-Piano an solchen Stellen wie eine alte Sixties-Orgel. Malia, mit einer dünnen Modelfigur ausgestattet, ist in schlichten Jeans erschienen, mit einem schwarzen Spitzenunterhemd und einem silbrig glänzenden Fransen-Bolero bekleidet: ein Middle-of-the-Road-Chic, der zum Frauenzeitschriftenmage passt. Bald schon zieht sie ihre auffälligen Schuhe aus – „It's so hot in here“ – und tippt mit ihren lackierten Fußnägeln gegen die Vitell-Flasche zu ihren Füßen.

Die Band spielt sauber, präsentiert die Stücke auf den Punkt genau, niemals zu verwegen. Doch Malia ist die perfekte Interpretin ihrer eigenen Songs. Wenn die Musiker das Tempo anziehen, gibt sie das ausgelassene Rock-Chick und tänzelt auf der Bühne, als würde sie mit einer Kamera kokettieren. Es sind kontrollierte Ekstasen und kalkulierte Posen, die bei anderen vielleicht affektiert wirken würden. Doch Malia weiß sich zu bewegen: So natürlich, wie sie das macht, lernt man das wohl auf keiner Pop-Akademie.

Tatsächlich füllt Malia schon jetzt eine Lücke, die man zwischen Sade, Tina Turner und Norah Jones ausmachen könnte: Sie erfüllt die Sehnsucht nach Gefühl und streift mit ihrer Musik die Grenzen zum Pop. Man könnte auch sagen: Malia treibt den Sekretärinnen-Soul zu neuen Ufern. Wobei diese Bezeichnung nicht abwertend gemeint ist: Sekretärinnen-Soul ist schließlich ein ebenso legitimes Genre wie Studenten-HipHop, Fitnessstudio-R'n'B und Reihenhaus-Rock. Es gibt ja heute nicht mehr allzu viele Menschen, die noch im Schweiße ihres Angesichts auf Baumwollfeldern schuften müssen. Die Musik von Malia ist daher etwas für die „Großstadtsklaven“ (Tama Janowitz) des modernen Dienstleistungssektors. Sie atmet den Geist jener Welt, in der sich die Sängerin bewegt: Den Boutiquen der Rive Gauche und den Jazz-Bars des Quartier Latin. Sie ist nicht mehr geprägt von den Nutbush City Limits, von der Ike und Tina Turner einst sangen. Sondern von den Grenzen jener Bezirke, die Malia frequentiert: Paris City Limits.

Ihre Texte schreibt Malia alle selbst. Sie strotzen allerdings von einer gewissen Backfischromantik. Als sie ihren Song „Twinkling little Star“ ankündigt, erklärt sie, er handele „von einem Ort im Süden Afrikas, wo ich geboren wurde“. Den Song „Little sparrow“, erzählt sie später, habe sie für ihre kleine Schwester geschrieben. Und das Lied „für eine enge Freundin“ heißt natürlich: „Little bee“. So viel Niedlichkeit kann anstrengend sein. Doch das Publikum im Quasimodo hängt ergriffen an ihren Lippen; selbst am Tresen ist es auffällig still. Das zeigt, dass Malia ihre Reifeprüfung bestanden hat.