piwik no script img

Archiv-Artikel

Immer mehr Studierende ratlos

Mehr als jeder zweite Hamburger Hochschüler sieht sich mit Lernproblemen und Prüfungsangst allein gelassen. Psychologische Beratung der Uni kämpft ums Überleben

Das Studentenwerk sieht „Lücken im Beratungsnetz“ der Hamburger Hochschulen. So finde jeder zehnte ratsuchende Student keinen Ansprechpartner. Bei psychischen Problemen, warnt das Studentenwerk in einer Sozialerhebung, sei der Anteil der Bedürftigen, die hilflos blieben, „besonders hoch“: Mehr als jeder Zweite fühle sich allein gelassen. Unterdessen bangt an Hamburgs größter Hochschule, der Uni, die psychologische Beratung um ihre Existenz.

Der Studie zufolge, welche die Hamburger Hochschulinformations-GmbH (HIS) durchführte, suchen hiesige Hochschüler häufiger psychologische Hilfe als ihre Kommilitionen anderswo in der Republik. Mit 19,5 Prozent habe nahezu jeder Fünfte Fragen zu Leistungsproblemen. Aber auch bei anderen psychischen Problemen (17,2%) und Prüfungsangst (15,5%) „besteht ein nicht zu unterschätzender Beratungsbedarf“, mahnt HIS „die Notwendigkeit“ an, „bestehende Angebote weiterzuführen und in einigen Beratungsbereichen auszubauen“.

Davon kann Peter Figge, der das Uni-Zentrum für Studien- und Psychologische Beratung (ZSPB) leitet, nur träumen. Infolge von Sparmaßnahmen stünden für die knapp 40.000 Uni-Studierenden gegenüber 1998 heute 40 Prozent weniger Berater bereit. Der Psychologische Dienst schrumpfte von 2,4 auf 0,75 Stellen. Obwohl sich laut Figge konstant etwa 6.000 als beratungsbedürftig sehen, bliebe wegen „Überlastung des ZSPB“, so der Leiter, etwa die Hälfte der Bedürftigen ratlos.

Durch das verdichtete Studium im neuen Bachelor-Master-System wachse der Bedarf aber weiter: „Die Studierenden werden durch ständige Prüfungen noch mehr Druck erfahren.“ Figge sorgt sich besonders um die psychologische Beratung, wo etwa Prüfungsangst „oder der eigene Perfektionsanspruch“ Thema seien. „Es gibt Stimmen in der Uni, die sagen, die psychosoziale Beratung sei ein Luxus, der ins öffentliche Gesundheitswesen überwiesen gehöre“, berichtet er. „Ich halte solche Pläne für falsch. Es muss nicht jeder, der ein Problem hat, gleich mit Therapie beworfen werden.“ Wer schnelle Hilfe suche, sei im öffentlichen Gesundheitswesen mit „den langen Warte- und Therapiezeiten falsch aufgehoben“.

Das Uni-Präsidium erklärte gestern lediglich, „dass die allgemeine Studienberatung weiter gewährleistet sein wird“. Der Schwerpunkt werde aber bei der „fachbezogenen Beratung liegen“, so Sprecher Peter Wiegand, „die in den Fakultäten gestärkt werden muss“. EVA WEIKERT