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Archiv-Artikel

Kanzlerbrief out, Röwekamp in

Koalition einigt sich auf eine Fortsetzung des guten Klimas: Brechmittel werden nur noch freiwillig getrunken. Scherf teilt am Freitag mit, dass bei den Gesprächen über den Kanzlerbrief kein Geld raussprang. Mit öffentlicher Kritik halten sich alle zurück

Von Kawe

Bremen taz ■ Am Freitagabend wird Bürgermeister Henning Scherf dem Koalitionsausschuss die Bilanz der Verhandlungen über den so genannten „Kanzlerbrief“ präsentieren. Bis dahin soll es ein „abschließendes Gespräch“ zwischen Scherf und dem Bundeskanzler geben. Das teilte der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann gestern mit. Der Koalitionsausschuss soll dann gemeinsam über Konsequenzen beraten.

Damit sind zwei Ziele des Vorstoßes der SPD-Spitzen Böhrnsen und Sieling erreicht: Es wird endlich Klarheit über die finanzielle Zukunft Bremens geben, und die CDU wird die drohenden Haushaltsprobleme nicht als Problem von Henning Scherf der SPD öffentlich in die Schuhe schieben. In einem Protokoll des CDU-Landesvorstandes von Oktober hatte es noch geheißen, man wolle Scherf zum „Offenbarungseid“ zwingen, Neumann hatte in den letzten Wochen entsprechende Interviews gegeben.

Die Verhandlungen um den Kanzlerbrief sind offenbar abgeschlossen – „wir stehen vor den größten Herausforderungen unserer Amtszeit“, erklärte Neumann. Im Klartext: Die Koalition muss allein aus dem Haushalt 2005 rund die 500 Millionen Euro herausstreichen, die mit Hinweis auf den Kanzlerbrief unter „Einnahmen“ verbucht waren. Für die folgenden Jahre fehle etwa dieselbe Summe – ein strukturelles Defizit. Hinzu kommt, dass auch jeder Euro für Investitionen über neue Schulden finanziert werden muss. Am Ende des Jahrzehnts dürfte der Bremer Schuldenberg auf 16 Milliarden Euro angewachsen sein. Ob in den Verhandlungen mit dem Kanzleramt wenigstens einmalige zusätzliche Investitionshilfen erreicht wurden, bleibt vorerst offen. Für die anstehenden Haushaltsprobleme spielt es aber keine entscheidende Rolle. Denn ohne zusätzliche Einnahmen Jahr für Jahr hat das Bundesland Bremen sein Sanierungsziel verfehlt. Von einem verfassungskonformen Haushalt kann keine Rede mehr sein. Und mit einer erneuten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht kann man sich ernsthaft erst befassen, wenn die Berliner Klage, in deren Begründung die bremische Sanierungspolitik deutlich kritisiert wird, entschieden ist. Für die Grünen ist damit klar, dass die große Koalition gescheitert ist. Im Grunde sei es seit 2001 absehbar, dass das erwartete Geld nicht komme, sagte Fraktionschefin Karoline Linnert. Offensichtlich hätten SPD und CDU auch heute noch keine Vorstellung, wie es weitergehen solle. Für eine neue Politik müsse es einen neuen Wählerauftrag geben. Insbesondere, so Grünen-Landesvorstandssprecher Dieter Mützelburg, könne keine Begründung für die Fortsetzung der großen Koalition sein, dass diese die Ziele des Koalitionsvertrages von 2003 verfehlt habe und die Probleme heute größer denn je seien. Das Argument würde 2007 genauso gelten und die große Koalition zu einem Perpetuum Mobile machen, 2007 komme möglicherweise noch die Debatte um die Auflösung des Bundeslandes dazu. Gutes Klima in der Koalition sei kein Ersatz für gute Politik, Neuwahlen daher die sauberste Lösung. Was danach kommen könnte, ist für die Grünen derweil offen. Mit der CDU sei schon rein rechnerisch keine Mehrheit zu bilden, die SPD müsse ihre Politik neu definieren, um für die Grünen ein Partner zu werden. „Ohne Scherf“ wäre eine solche Koalition auf jeden Fall leichter vorstellbar, sagte Mützelburg.

SPD-Fraktionsvorsitzender Jens Böhrnsen geht derweil davon aus, dass auch Irritationen, die der Innensenator durch seine Reaktion auf den Brechmittel-Einsatz ausgelöst hat, durch den gemeinsamen Beschluss und das gestrige Auftreten vor der SPD-Fraktion aus der Welt geräumt seien. Die Stimmenmehrheit der Koalition sei ihm also am Mittwoch sicher, wenn in der Bürgerschaft der Misstrauensantrag der Grünen zur Diskussion stehe.

Kawe