: Gebühren führen zu Elite paradox
Eine Reihe CDU-Länder ist entschlossen, Studiengebühren einzuführen. Das Land Rheinland-Pfalz will die dann losbrechende Völkerwanderung der Studierenden auf seine Art stoppen: Es lässt nur die Elite der Studienwilligen anderer Bundesländer zu
VON CHRISTIAN FÜLLER
Der Minister gab sich sybillinisch, aber er drohte zugleich. Wenn das Studiengebührenverbot fällt, so sagte Jürgen Zöllner (SPD) noch vor wenigen Wochen, dann sei eine „kleine studentische Völkerwanderung“ zu befürchten. Studierende würden die Gebührenländer, mutmaßlich die Unionsregierten, fliehen. Und sein kleines, gebührenfreies Bundesland Rheinland-Pfalz befände sich dann in einer Zwickmühle: „Wir hätten geradezu die Pflicht zur Notwehr“, sagte Zöllner, der Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz und Koordinator der SPD-Wissenschaftsminister ist.
Was im November letzten Jahres niemand verstand, wird heute, am Tag der Karlsruher Entscheidung zu Studiengebühren, umso klarer. Nach Informationen der taz denkt die Landesregierung in Mainz darüber nach, den erwarteten Studentenzuwachs um 30 Prozent zu einem Elitemodell zu nutzen. Zum gebührenfreien Studium in Rheinland-Pfalz, so heißt es, würden dann nur noch die besten Studienbewerber aus anderen Bundesländern zugelassen. So genannte Landeskinder, also Studierende aus Rheinland-Pfalz selbst, hätten wie bisher die Möglichkeit, umsonst die Leistungen der Unis in Kaiserslautern, Mainz, Trier und Koblenz/Landau sowie diverser Fachhochschulen in Anspruch zu nehmen.
Das rheinland-pfälzische Modell würde bedeuten: Das auch sonst recht innovative Land im Südwesten pickt sich die Elite der Studenten aus den benachbarten Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg heraus. Bereits nach Einführung von Langzeitgebühren in Hessen war die Zahl der Ortswechsler gestiegen – etwa von Studenten aus Wiesbaden hinüber nach Mainz.
Ein Sprecher der Landesregierung mochte das neue Modell gegenüber der taz nicht kommentieren. Es gebe vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts nichts über Denkmodelle mitzuteilen. „Wir geben unsere Antwort am Donnerstag“, sagte der Sprecher.
Grundsätzlich ist eine Auswahl von Studierenden laut Gesetz möglich. Die Auswahlmöglichkeiten sind kürzlich erheblich erweitert worden. Bislang durften sich die Hochschulen 25 Prozent der Studierenden selbst auswählen, ab Wintersemester 2005/2006 sollen es 60 Prozent sein.
Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner gilt bei Studiengebühren als Überzeugungstäter. Er ist grundsätzlich gegen das bezahlte Studium, weil es „wenig nutzt und vielen schadet“. Eine Wissensnation könne es sich nicht leisten, so Zöllner, „schlaue Kinder aus sozialen Gründen von den Unis auszuschließen“.
Der Wissenschaftskoordinator der SPD-regierten Länder hat daher ein Studienkontenmodell erfunden, das inzwischen auch Nordrhein-Westfalen übernommen hat. Andere SPD-Länder sind ebenfalls an den Studienkonten interessiert, die Anreize fürs flotte Studium setzen. Erst bei deutlicher Überziehung der Studienkonten wird in Rheinland-Pfalz eine Gebühr fällig. Wer aber in der Zeit sein Examen absolviert, erhält beim Kontenmodell einen Bonus in Form von Gutscheinen für – inzwischen durchgehend kostenpflichtige – Weiterbildungsstudiengänge.
Es gilt als sicher, dass sich Zöllner zuvor um eine Einigung unter den Wissenschaftsministern bemühen wird. Das bedeutet, dass die Bundesländer sich auf ein Nebeneinander von Studiengebühren und -konten einigen sollen. Die Unionsländer sind unter loser Führung durch den baden-württembergischen Wissenschaftsminister Peter Frankenberg für Varianten eines Bezahlstudiums, das pro Semester mindestens 500 Euro kosten soll. Die SPD-Länder befürworten lediglich Studienkonten oder Langzeitgebühren.