: Ohne Arbeitslose läuft gar nichts
Mit Hartz IV kommen soziale Einrichtungen wie das Kölner Arbeitslosenzentrum in die Bredouille. Obwohl sie 1-Euro-Jobs ablehnen, sind sie auf solche Arbeitsgelegenheiten künftig angewiesen
VON SUSANNE GANNOTT
Die Kölner Montagsdemonstranten waren entsetzt ob der Nachricht: Das Kölner Arbeitslosenzentrum KALZ sucht für sein Café und den Telefondienst im Büro zwei MitarbeiterInnen auf Basis der so genannten Integrationsjobs. Ausgerechnet das KALZ, das auf den ersten Montagsdemos im vergangenen Herbst selbst vehement gegen „1-Euro-Jobs“ zu Felde gezogen war, macht also mit bei der Umsetzung von Hartz IV – für die Demonstranten eine Bankrotterklärung.
Im KALZ selbst ist man sich der „Gratwanderung“ durchaus bewusst: „Grundsätzlich sind wir auch weiterhin gegen 1-Euro-Jobs“, sagt die kommissarische Geschäftsführerin Wiltrud Derks. Trotzdem werde man jetzt sowohl im KALZ als auch in der Obdachlosenstation Gulliver und im Lobbyrestaurant Lore dreißig solcher Arbeitsgelegenheiten anbieten. „Die Alternative ist, die Einrichtungen dicht zu machen.“ Damit sei weder den Arbeitslosen gedient, denen das KALZ jährlich mit rund 4.000 Beratungen zur Seite steht, noch den Obdachlosen, die ins Gulliver und in die Lore kommen.
Tatsächlich stecken Einrichtungen wie KALZ und Gulliver in einem Dilemma: Neben hauptamtlichen Mitarbeitern beschäftigen sie nämlich seit Jahren auch arbeitslose Sozialhilfeempfänger. Die wurden bislang im Rahmen des „Hilfe zur Arbeit“-Programms vom Sozialamt bezahlt, wobei sich ihre Entlohnung grob am Tariflohn der jeweiligen Branche orientierte. Doch diese Art der Förderung läuft nach der Einführung von Hartz IV schrittweise aus. Nur noch „in Ausnahmefällen“ bekämen die Beschäftigungsträger solche Stellen bezahlt, hat Derks bei der Kölner Arbeitsgemeinschaft von Sozialamt und Arbeitsagentur (ARGE) erfahren. Die Förderung von ALG-II-Empfängern wird sich künftig vor allem auf die umstrittenen 1-Euro-Jobs beschränken.
Im „Vringstreff e.V.“ in der Südstadt kann man dieser Entwicklung nicht viel Gutes abgewinnen. Im Prinzip sei das ganze Hartz-Konzept sinnlos, „weil es keine Arbeit gibt, in die vermittelt werden kann“, sagt die Leiterin der Einrichtung Jutta Eggerling. Aber auch sie sieht für den Weiterbetrieb ihrer Begegnungsstätte mit angeschlossenem Café-Restaurant „keine andere Chance“ als die Arbeit mit 1-Euro-Kräften. Eggerling kritisiert, dass Einrichtungen, die auf solche Jobs angewiesen sind, derzeit in einer „unsicheren Situation“ seien, weil die ARGE die „Förderseite noch nicht organisiert“ habe. So seien die 1-Euro-Stellen für das Vringstreff noch nicht einmal genehmigt, geschweige denn besetzt. Und ob es überhaupt gelingt, genügend Leute für die Jobs zu finden, sei völlig unklar, sagt Eggerling: „Schließlich will nicht jeder für einen Euro arbeiten.“
Das Problem hat man im KALZ offenbar nicht. Es gebe bereits „einige Anfragen“ auf die Stellenanzeige, sagt Derks. Sie hat auch keinen Zweifel, dass es genügend Arbeitslose gibt, die freiwillig den Halbjahresjob wollen. Man werde aber auch darauf achten, dass die Arbeitslosen im KALZ wirklich „eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt“ bekommen. Dafür werde man den Betreffenden jeweils passende Qualifizierungen anbieten, verspricht Derks.
Großes Verständnis für die Entscheidung des KALZ zeigt der ehemalige Geschäftsführer der Einrichtung, Thomas Münch. „Es war von Anfang an klar, dass die Integrationsjobs gewachsene Strukturen in den sozialen Einrichtungen zerschlagen werden.“ Jetzt müsse sich jeder Träger überlegen, wie er damit umgeht. Im KALZ will man jedenfalls „auch künftig sachlich gegen 1-Euro-Jobs argumentieren“, bekräftigt Münchs Nachfolgerin Derks. So plane man für März zusammen mit dem Katholikenausschuss und dem evangelischen Sozialwerk eine Veranstaltung. Der Titel lautet: „Arbeit ist mehr als einen Euro wert.“