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Archiv-Artikel

Physik gibt Freiheit

Kunst meets Physik: Kernphysiker Hans-Peter Dürr und Komponist Willy Daum im Dialog über „Quantenschaum“

Von fis

Bremen taz ■ Da dachte man immer, wir wären nur ein Materieklumpen mit Bewusstsein und staunten über die voll funktionstüchtige Glanztat des göttlichen Bioingenieur-Labors. Und dann sagte die Physik plötzlich: Ätsch. Es gibt gar keine Materie, keine dingliche Grundlage des Lebens. Alles ist Schwingung von Nichts – oder besser: von Etwas, das wir nicht genau beschreiben können.

Der Abschied vom deterministischen Weltbild der alten Physik führt zu einer Welt, die spontan lebendig ist. Angst haben da die einen, „Freiheit“ jubeln die anderen, denn Kreativität kann entstehen, wo nichts mehr determiniert ist. Ein Raum, in dem Wissenschaftler und Künstler gleichermaßen zu Hause seien. Zwei Berufsgruppen, die aus dem Geist des Experimentierens heraus mit ihren Intuitionen und Inspirationen versuchen, Entwürfe zur Beschreibung der Wirklichkeit zu liefern, geradezu mythischen „Ahnungen“ Ausdruck zu verleihen.

Das jedenfalls behauptete der Münchner Kernphysiker und alternative Nobelpreisträger Hans-Peter Dürr in der Weserburg zur Eröffnung der Veranstaltungsreihe „Quantenschaum“, die von der Universität, dem Museum Weserburg und der Shakespeare Company organisiert wird.

Nur auf mathematische Weise könne man mit den Aussagen der modernen Physik nicht umgehen, so Dürr. Wenn man sie jemandem erklären wolle, müsse man auf Bilder und Gleichnisse zurückgreifen – so wie die Kunst. Wirklichkeit sei das Potenzial, sich als Materie zu realisieren, sagt Dürr. Wo man wenig Genaues weiß, wird Sprache halt schnell schwiemelig. Der Physiker definierte den „Mensch als Schaumkrone des Meeres, des Lebens, wo in unterschiedlichen Freiheitsgraden alles miteinander zusammenhängt.“

Und was sagt die Kunst dazu? Musiker Willy Daum machte die wortreiche Sprachlosigkeit der Physik anhand einer Eigenkomposition deutlich: Tonaufnahmen von Menschen, die ihre Lebensläufe rezitieren, überführte er in frei schwebende Soundscapes – aus den Worten konkreter Realität wird purer Klang, reine Musik. Auch kennt Daum die von Dürr benannten „Ahnungen“, etwas nicht Materiellem eine Form zu geben, etwas nicht Begreifbares zu gestalten.

Eben Kunst. Eben moderne Physik. Der Mut, trotzdem darüber zu reden, ließ den Abend anregend werden. Mit begeistertem Applaus feierte sich die extrem gut besuchte Veranstaltung. Die Zugabe gibt es am 1. Februar um 19 Uhr in der Weserburg. Physiker Peter Richter und Schauspieler Peter Lüchinger wollen über „Einstein und die Welt als Ganzes“ kommunizieren. fis