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Archiv-Artikel

„Das war ein normales Gespräch“

In Bremen herrscht große Heimlichtuerei um das Gespräch zwischen Kanzler Schröder und dem Bremer Bürgermeister, in Berlin sagt man offen: „Das war ein normales Informationsgespräch“, keine Verhandlung um konkrete finanzielle Zusagen

Von kawe

Bremen taz ■ Wer in der Lobby der Bremischen Bürgerschaft gestern Parlamentarier fragte, was bei dem „abschließenden Gespräch“ des Bremer Bürgermeisters mit dem Bundeskanzler am Mittwochabend in Berlin herausgekommen ist, dem waren Gegenfragen sicher. „Wissen Sie denn schon etwas?“ Erst am Freitagabend soll der Koalitionsausschuss das Ergebnis erfahren, vorher ist strengstes Stillschweigen verabredet. Der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft wird es dann in der Zeitung lesen. „Vielleicht weiß der Finanzsenator schon etwas“, mutmaßte jemand: „Heute morgen hat der hier mit dem Chef der Senatskanzlei geredet.“ Unter vier Augen, versteht sich.

Beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung ist man weniger zugeknöpft. Mitarbeiter Henning Grotelüschen erklärt, das „war ein ganz normales Informationsgespräch, wie es viele gibt“. Und es sei auch „ein normaler Vorgang, dass Ministerpräsidenten ihre Wünsche in Bezug auf bestimmte Projekte vortragen“. Aber diese Projekte müssten dann bei den Fachministerien „in dem üblichen Verfahren entschieden“ werden. Wobei jeder wisse, dass die Haushaltssituation des Bundes „schwierig“ sei. Der Bundeskanzler habe darauf verwiesen, dass er sich immer dafür eingesetzt habe, dass die Besonderheiten des Stadtstaates Bremen berücksichtigt würden. Bei der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs etwa sei Bremen besser gestellt worden. Aus welchem Grund Bremen mit einer Einnahme von 549 Millionen Euro mit Bezug auf einen Kanzlerbrief aus dem Jahre 2000 rechne, kann das Presseamt der Bundesregierung natürlich nicht erklären.

Die Bremer Finanzpolitiker rechnen schon seit Wochen damit, dass nichts von den ursprünglich erwarteten 549 Millionen Euro übrig bleibt. Aber bevor das am Wochenende offiziell wird, möchte zum Beispiel der CDU-Finanzpolitiker Helmut Pflugradt nicht laut über die Konsequenzen spekulieren. Klar, dass ein „Riesenproblem“ auf Bremen zukommen würde, sagt er. Wo und wie viel Bremen noch sparen könnte – dazu ist eine CDU-Position nicht zu erfahren. Nur so viel: Ein „Verfahren“ müsse verabredet werden, wie „wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten“ die Konsequenzen beraten können. Schlichte Schnitte, wie die SPD das beispielsweise beim Visionarum fordert, kann sich Pflugradt nicht vorstellen: „Ich gehe davon aus, dass das Visionarum kommen muss.“ Jetzt einfach bei den Investitionen zu sparen, mache wenig Sinn: Bremen brauche mehr Wirtschaftskraft, und konsumtiv würden ja nur die fünf Prozent Zinsen gespart, wenn eine Investition unterbleibt. Man dürfe auch nicht in den Fehler der Jahre vor 1995 verfallen, sagt der CDU-Politiker, wo Bremen für ansiedlungswillige Firmen nicht ausreichend interessante Gewerbeflächen vorgehalten habe.

Willi Wedler, der FDP-Mann im Parlament, sieht das ganz anders. „Das riecht nicht nur nach Krise, wir stecken mitten drin“, sagt er: „Die Tage der großen Koalition sind gezählt“. Denn Hilfe von außen könne Bremen kaum erwarten angesichts der Probleme des Bundes und der anderen Länder. „Da kommen ganz, ganz bittere Entscheidungen auf uns zu“, sagt er, bis hin zu Kürzungen bei der Ausstattung der Kindergärten und Schulen. Neue Schulden seien jedenfalls die schlechteste Lösung.

Für die SPD-Finanzpolitikerin Cornelia Wiedemeyer ist die Anpassung des laufenden Haushaltes 2005 eher „ein „formaler Akt“. Denn „man kann nicht 500 Millionen aus dem Haushalt rausschmeißen“. Schon die 60 Millionen Euro einzusparen, die im Haushalt darüber hinaus ohnehin fehlen, sei eine „enorme Leistung“. Jeder Euro, der aus den Ansprüchen aus dem Kanzlerbrief nicht kommt, müsse daher über neue Kredite finanziert werden.

Das gilt für 2005. Wiedemeyer denkt schon an die Frage, wie groß die Lücke im Haushalt 2006 sein wird. Und 2007. Derzeit zahlt Bremen pro Jahr 550 Millionen Euro Zinsen, die Summe werde in den kommenden Jahren ansteigen auf vielleicht 900 Millionen, schätzt Wiedemeyer – wenn nicht Hilfe von außen kommt. Großen Spielraum für Kürzungen sieht die Sozialdemokratin nicht mehr. „Was Bremen machen kann, haben wir gemacht.“ Bremen müsse attraktiv bleiben, sonst verliere das Land wieder an Einwohnern und in der Folge an Transferzahlungen aus dem Länderfinanzausgleich. Das Ausgleichssystem der Steuereinnahmen zwischen den Ländern sei bis zum Jahre 2019 gesetzlich festgeschrieben. Nur bei guter Konjunktur und weiterhin rigidem Sparkurs könne Bremen es vielleicht schaffen, aus eigener Kraft dann wieder einen verfassungskonformen Haushalt hinzubekommen, vorher jedenfalls nicht.

Karoline Linnert, Grüne Finanzfachfrau und Haushaltsausschuss-Vorsitzende, hält überhaupt nichts davon, jetzt auf dem Papier wieder Versprechungen darüber zu machen, was in drei oder sieben Jahren alles erreicht sein wird. „Die Koalition hat viele Jahre Zeit verloren mit solchen Spielchen“, sagt sie. Pauschale Kürzungsquoten würden am Ende doch nicht eingehalten. Konkret müsse gesagt werden, was verzichtbar ist. Etwa der Neubau des Gefängnisses (90 Millionen Euro), der Zuschuss fürs Visionarum (30 Millionen) und ganz viele kleine Vorhaben des Bauressorts. Aber auch in der Verwaltung laufe vieles falsch: Warum zum Beispiel wird jahrelang darüber geredet, im Jugendbereich die stationäre Betreuung zu reduzieren und es passiert einfach nicht?

Alles stehe auf dem Prüfstand, wenn der Senat den Haushalt 2005 offiziell für verfassungswidrig erkläre. Eine Klage vorm Bundesverfassungsgericht müsse „mit Hochdruck“ vorbereitet werden, fordert Linnert: Müsste Bremen nur die Schuldzinsen nicht zahlen, wäre der laufende Haushalt ausgeglichen. kawe