: Jukebox
Vom Roadie zum Star
Es gibt ja dieses weit verbreitete Vorurteil, Musikjournalisten seien eigentlich alle verkappte Musiker. Das ist natürlich vollkommen falsch, denn Schreiberlinge sind keine verkappten Musiker, sondern nur verhinderte, und das meist zu Recht, denn der Großteil wäre für eine Karriere als Rockstar zu unmusikalisch. Verkappt, das ist eher der gute, alte Roadie: So wurde aus dem Jimi-Hendrix-Roadie Lemmy Kilmister bekanntermaßen später ein recht erfolgreicher Motörhead und Bryan MacLean, der den Byrds die Boxen aufbaute, wurde in den 60s Gitarrist bei Love, bevor er das Zeitliche segnete. Noch so ein konvertierter Kabeltrommelschlepper ist William Elliott Whitmore, der bei Fugazi und befreundeten Bands wie Ten Grand die Gitarren stimmte. Fugazi brachten Ende der 80er, vor allem auf ihrem auch heute noch ziemlich flotten Album „13 Songs“, nicht nur den Punkrock zum Grooven. Vor allem wiesen sie mit ihrem in Washington, DC, beheimateten Label Dischord nach, dass man mit konsequenter Unabhängigkeit Erfolg haben kann, und predigten die konsequente künstlerische Selbstermächtigung. Der Rest war vegane Ernährung, Selbstkostenpreise und die mittlerweile seltsamerweise wieder in Vergessenheit geratene Botschaft, dass jeder ein Musiker sein kann. Dass die knarzigen, bluesgetränkten Songs von Whitmore Welten entfernt sind von den Klängen der Bands, deren Instrumente er früher stimmte, dass Whitmore auf einer Pferdefarm in Mississippi und damit weit weg von der urbanen schwarzen Kultur Washingtons aufgewachsen ist, die Fugazi so beeinflusste, zeigt nur, wie universell die Ideen von damals waren. Der Indie-Rock mag seitdem wirtschaftlich gescheitert sein, aber wenn am kommenden Donnerstag ein ehemaliger Roadie Redneck-Musik für Berliner Slacker spielt, dann hat das auch was damit zu tun, was damals in den 80ern passiert ist.THOMAS WINKLER