: Gütesiegel fürs seriöse Bordell
CDU will Sex mit Zwangsprostituierten bestrafen. Experten halten das für nicht umsetzbar. Sie empfehlen, Freier aufzuklären – und „gute“ Puffs zu kennzeichnen
BERLIN taz ■ Siegfried Kauder will Freier fürs Wegsehen bestrafen. Sex kaufen und dabei die Not der Frauen ignorieren – das sollte verboten sein, findet der CDU-Abgeordnete. Nun beschäftigt er Politiker wie Praktiker mit einem Gesetzentwurf: Wer „leichtfertig nicht erkennt“, dass er eine Zwangsprostituierte ins Hotelzimmer oder auf die Autorückbank orderte, soll dies mit einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft büßen. Im März will Kauder seinen Pläne im Bundestag vorstellen.
Inspiriert zu der Novelle hat Kauder ausgerechnet sein Parteifreund Michel Friedman. Vor zwei Jahren hatte Friedman per Telefon Ukrainerinnen angefordert – Zwangsprostituierte, wie sich dann herausstellte. „Widerlich“ und „menschenverachtend“ findet das Kauder. Sein Entwurf soll den Friedmans unter den Freiern die Lust vergällen – im In- wie im Ausland. So soll das Gesetz auch für jene Deutschen gelten, die an polnischen oder tschechischen Straßenstrichen Billigst-Sex kaufen.
Ob der CDU-Politiker sich durchsetzen kann, ist indes fraglich. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) etwa hat „Sympathien für den Vorschlag“, sieht aber „große Probleme in der praktischen Umsetzung“. Auch Heike Rudat vom Bund Deutscher Kriminalbeamter findet es „grundsätzlich sinnvoll, solche Freier zu bestrafen“. Den CDU-Vorschlag lehnt sie trotzdem ab. „Das wäre ein stumpfes Schwert.“ Das Problem liegt in der Praxis, so Rudat.
Zum einen könne ein Freier nur selten erahnen, dass eine Frau zur Prostitution gezwungen wird. Etwa wenn ihr Körper Striemen und Blutergüsse aufweist. Oder wenn ein Fahrer sie an der Hotelzimmertür abliefert und selbst den Lohn kassiert. Meist seien die Zwangslagen aber nicht so offensichtlich, sagt Rudat. Die Frauen werden eher psychisch unter Druck gesetzt als körperlich misshandelt. Und sie haben zu viel Angst, um sich zu offenbaren.
Doch selbst wenn der Kunde Anzeichen bemerkt haben sollte – der Richter könne ihm das kaum nachweisen, sagt Rudat: „Gemäß unser Rechtsauffassung verurteilen wir einen Menschen anhand von Beweisen. Und nicht, weil wir zu wissen glauben, was er in einer Situation dachte.“ Eine Gesetzesnovelle aber, die nur symbolischen Wert hat, lehnt sie ab. „Wir brauchen Vorschriften, die wirklich zur Bestrafung der Freier führen.“
Eine Gesetzesnovelle findet auch die grünen Frauenpolitikerin Irmingard Schewe-Gerigk zumindest „bedenkenswert“. „Wir müssen aber zunächst mit dem BKA und anderen Leuten aus der Praxis sprechen.“ Erst dann lasse sich entscheiden, ob nicht die derzeitige Rechtslage ausreicht, die besagt: Wenn eine Prostituierte ihrem Freier offenbart, dass sie unter Zwang handelt und er dennoch auf dem Sexdienst besteht, macht er sich strafbar.
Die Prostituiertenberatung Hydra immerhin ist sich sicher, was sie von Strafen für Freier hält: nichts. Weit hilfreicher sei es, stattdessen Illegale zu entkriminalisieren, sagt Hydra-Mitarbeiterin Friederike Strack: „Wenn eine Frau in die deutsche Botschaft in Kiew gehen und dort ein Visum als Sex-Saisonarbeiterin beantragen könnte – das wäre ein wirklicher Schutz vor Menschenhandel.“
Eine ähnliche Regelung existiert zum Beispiel in Österreich. Weil sie aber hierzulande derzeit kaum durchsetzbar wäre, setzt Hydra auf Fortschritte im Kleinen: Eine Kampagne müsse Freier über das Elend Zwangsprostituierter aufklären. Die Branche könne auch Gütesiegel entwickeln, sagt Strack. Der Freier wüsste dann das frauenfreundliche Bordell von der Ausbeuter-Absteige zu unterscheiden. „Sensibilisieren statt strafen – das wäre die richtige Strategie.“
COSIMA SCHMITT