: Ein „Åmtsrucht“ für alle Fälle
Über Friesen wird gewitzelt, aber was wissen wir wirklich über sie? Adeline Petersen vom Nordfriisk Instituut über die Seele eines Volkes, das kaum zu verstehen ist
Sobald man sie anschaut, zerfallen die Friesen sofort: in die Westfriesen, die in den Niederlanden leben, die Ostfriesen in Niedersachsen und die Nordfriesen an der schleswig-holsteinischen Küste. Als eigensinnig gelten alle drei – aber das ist auch schon alles, was wir gemeinhin über sie wissen. Die taz sprach mit der Expertin Adeline Petersen vom Nordfriisk Instituut in Bredstedt – ein Interview von Schwabe zu Friesin.
taz: Frau Petersen, über die Friesen sind viele Witze im Umlauf, aber wirklich wissen tut man über sie wenig.
Adeline Petersen: Dann sind Sie bei mir ja genau richtig.
Fühlen Sie sich mehr als Friesin oder doch mehr als Deutsche?
Adeline Petersen: Das ist eine Fangfrage. Bei uns gibt es eine kleine Gruppe, die sich mehr als Dänen fühlt. Die Mehrheit fühlt sich aber als Deutsche. Der Kampf zwischen Deutsch und Dänisch ist bei uns das Los des Friesischen gewesen. Jetzt ist es aber anders, jetzt sitzen beide zusammen im Friesenrat.
Was halten Sie denn von den Ostfriesen?
Die fühlen sich natürlich auch als Friesen, sehr sogar. Aber sie sprechen kein Ostfriesisch mehr, abgesehen von ein paar tausend Leuten, die aber nicht in Ostfriesland wohnen, sondern südlich von Oldenburg im Saterland. Die Ostfriesen sprechen Platt. Sie nennen das Ostfriesich, aber aus unserer Sicht ist es das nicht.
In Schleswig-Holstein gibt es jetzt ein Gesetz, das das Friesische in der Öffentlichkeit fördern soll.
Inzwischen gibt es bei uns eine Menge Dörfer, die ihren Namen auch auf Friesisch geschrieben haben. Oben auf Deutsch, und unten etwas kleiner auf Friesisch.
Aber es geht nicht nur um Ortsnamen, oder?
Nein, „Amtsgericht“ heißt jetzt zum Beispiel auch „Åmtsrucht“, wobei man bedenken muss, dass es im Nordfriesischen mehrere Dialekte gibt. Als Wort für „Straßenmeisterei“ haben wir „Schuseewärterai“ vorgeschlagen. Manchmal muss man neue Worte machen, dieses ist an das Mooringer Friesisch angelehnt.
Wie viele Dialekte gibt es eibei Ihnen?
Wir unterscheiden zwischen Festland- und Inselfriesisch. An unserem Institut haben wir Lektoren für Festland und für Amrum und Föhr. Was uns fehlt, sind Lektoren für Sylt und für Helgoland.
Wann fühlt man sich als Friese?
Also ich denke, dass die meisten, die heute noch Friesisch sprechen, bewusste Friesen sind. Es geistert die Zahl von 10.000 Leuten herum, für die Friesisch die Erstsprache ist. Aber es geht natürlich auch um die Kultur. Früher gab es mal den „Nordfriesischen Verein für Heimatkunde und Heimatliebe“.
Was halten Sie für typisch friesisch?
So eine gewisse Selbständigkeit, würde ich sagen. Und sie sind weltgewandt, viele sind ja ausgewandert nach Amerika und dann zurückgekommen, vor allem die von den Inseln. Auf dem Festland weniger, da hatte man diese großen Bauernhöfe. Von den Bauern sind übrigens viele Wissenschaftler, auch das ist eine friesische Besonderheit. Die beschäftigen sich nebenher zum Beispiel gerne mit Geschichte.
Interview: Daniel Wiese