: „Beidseitiges Abenteuer“
Als erstes westliches Profiteam verbrachte der FC St. Pauli sein Trainingslager auf Kuba. Darüber, dass Kuba nun Partnerland der Hamburger Reisemesse ist, schwärmt nicht nur Corny Littmann
von Oke Göttlich
Mit viel Glück entdecken Reisende den Ort, an dem sie sich fernab der Heimat heimisch fühlen. Es ist meist die Verdinglichung von persönlichen Träumen, Erlebnissen und Wünschen, die eine Stadt oder ein Land fernab des Alltags bieten kann. Für Corny Littmann ist dies Kuba.
Seit Jahren verbringt der Präsident des FC St. Pauli seinen Urlaub auf der karibischen Insel. Überwältigt schwelgt er in den Impressionen, die seinen jüngsten Aufenthalt prägten. Natürlich spielen in seinen Berichten auch handgerollte Zigarren, Cocktails und die unbeschwerte karibische Leichtigkeit eine Rolle. Wesentlich intensiver aber müssen die Rahmenbedingungen des ersten Trainingslagers, welches eine westliche Profimannschaft auf der politisch isolierten Insel abhielt, auf ihn gewirkt haben. Die pure Anwesenheit des Drittligisten führte zu den feierlichsten Momenten für die Fußballer, ihren Präsidenten und die Bewohner des Karibikstaats. „Es wird ein bleibender Eindruck sein.“
Vor allem die Menschen vor Ort hebt Littmann hervor: „Ihre Fröhlichkeit, Herzlichkeit und Improvisationsfähigkeit ist herzerwärmend.“ Stundenlang mussten die Regionalligakicker Autogramme schreiben und sogar Tapes von örtlichen Rappern anhören, die den mitgereisten Kamerateams auch das ein oder andere Ständchen sangen, um in deutsche Wohnzimmer zu kommen.
Spätestens wenn es um die Musik geht, wird es ernst bei den Kubanern. Musizieren und tanzen bringt Abwechslung von den alltäglichen Sorgen der Bewohner, die neben der Armut auch mit repressiven Aktionen der Staatssicherheit zu kämpfen haben. Wahlen sind nach wie vor nicht frei und auch die Todesstrafe wird in dem Land noch verhängt.
Auch deshalb durften sich die Profis des FC St. Pauli nicht öffentlich über die politischen Verhältnisse auf Kuba äußern. Die Gastfreundschaft der Einheimischen hätte sich mit kritischen Äußerungen kaum vertragen. So verhält sich auch Littmann distanziert zu den politischen Zuständen. Man könne in Havanna, der Haupstadt Kubas, beinahe Geschichte atmen. „Es gibt kaum eine Stadt auf der Welt, wo man so viel Gelebtes sieht.“ Teilweise verfallen oder angegriffen sehen die Häuser der Hauptstadt einem sehr alt gewordenen Menschen ähnlich. In den Straßen fahren noch Limousinen aus den 50er Jahren herum und tragen zu dem morbiden Charme einer Insel bei, die von dem ebenfalls in die Jahre gekommenen, alten sozialistischen Staatspräsidenten Fidel Castro regiert wird.
Des diplomatischen Werts des Aufenthalts des FC St. Pauli ist sich Präsident Littmann sicher. Neben organisierten Schüleraustauschen wird Trainer Andreas Bergmann in der Sommerpause für zwei Wochen eine Trainerschulung für kubanische Kollegen leiten. Außerdem wurden medizinische Trainingsgeräte aus Deutschland mitgebracht. Sollte St. Pauli jemals wieder von der dritt- in die zweithöchste Liga aufsteigen, könne man sich auch vorstellen, das ein oder andere Talent in Deutschland zu fördern. In der Regionalliga sind Spieler außerhalb der EU nicht spielberechtigt.
„Es war ein beidseitiges Abenteuer“, schwärmt Littmann vieldeutig. Wohl wissend, dass so mancher Profi die Reise teilweise als strapaziös empfand. Das ist für den Kuba-Kenner Littmann kaum nachzuvollziehen. „Es ist ein Ort, bei dem die äußere Wärme mit der Inneren korrespondiert.“ Für ihn wird es der Ort bleiben, den Reisende Heimat nennen.