: Mit weißer Farbe angeschwärzt
AktivistInnen kippen Dispersionsfarbe vor den Eingängen der Flick Collection aus – pünktlich zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung. Geplanter Vortrag abgesagt
Weiße Dispersionsfarbe haben die Besucher an den Schuhen in die Räume des Hamburger Bahnhofs getragen, das Museum stellte Anzeige gegen unbekannt: Pünktlich zum Auschwitz-Gedenktag hatten Unbekannte am Donnerstag gegen 12 Uhr mehrere Liter Farbe vor alle drei Torzugänge an der Invalidenstraße gekippt, um gegen die Flick Collection von Friedrich Christian Flick zu protestieren.
Außerdem klebten in der ausgeschütteten Farbe Flugblätter. Am 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers bleibe die Flick Collection geschlossen, hieß es darauf. „1.000 Frauen aus Auschwitz mussten im Flickkonzern arbeiten, viele haben das nicht überlebt“, so die Aktivisten.
Die Ausstellung blieb aber geöffnet. Der Betrieb sei normal weitergelaufen, sagte der Leiter des Hamburger Bahnhofs, Eugen Blume. Die Mitarbeiter hätten die Farbe zügig entfernt, und die Besucher seien durch den Farbanschlag nicht behindert worden. Allerdings hat das Zentrum für Literaturforschung einen für Donnerstagabend im Hamburger Bahnhof geplanten Vortrag kurzfristig abgesagt. Die Direktorin Sigrid Weigel sagte, das es keinen Sinn mache, „in einer aufgeheizten Atmosphäre eine wissenschaftliche Veranstaltung durchzuführen“.
Weitere Proteste waren in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu sehen: eine Anzeige mit dem Text „Heil dich doch selbst. Die Flick Collection wird geschlossen“. Neben der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek unterschrieben hier rund 250 Kulturschaffende, TheoretikerInnen und AktivistInnen. Sie werfen dem Bundeskanzler, dem Land Berlin und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor, mit ihrer Unterstützung für die Sammlung von Friedrich Christian Flick „zur Stilllegung der Erinnerung an die Shoa“ beizutragen. Flicks Großvater hatte massiv von Rüstungsprogrammen der Nazis profitiert. Initiiert wurde die „Heil dich doch selbst“-Aktion von der „Flick-Connection“, einer Gruppe um die Antifaschistische Linke Berlin und den Verlag b-books. Schon länger begleiten sie die Ausstellung mit Protesten.
Schon lange vor und seit der Eröffnung der Flick Collection im September 2004 war die Ausstellung sehr umstritten. Die Farbaktion vom Donnerstag war bereits der dritte tätliche Angriff, allerdings diesmal nicht gegen die Kunstwerke. Bereits wenige Tage nach der Eröffnung hatte eine Besucherin zwei Installationen beschädigt. Drei Monate später verspritzte ein ungarisch-kanadischer Performance-Künstler sein selbst abgezapftes Blut an der Wand.
Die Polizei sucht bisher vergeblich nach den Farbeimer-Ausschüttern. ULRIKE LINZER