: Lleyton, wie er leibt und lebt
Lleyton Hewitt bezwingt Andy Roddick und erreicht als erster australischer Tennisspieler seit Pat Cash im Jahre 1988 das Finale von Melbourne. Gegner ist Marat Safin
MELBOURNE taz ■ Da saß er nun nach dem Sieg auf seinem Stuhl, die Haare klatschnass und wirr, und auf einmal war der eisenharte Kämpfer verschwunden. Mit einem Kinderlächeln im schweißnassen Gesicht sah Lleyton Hewitt den jubelnden Menschen auf der Tribüne zu. Familie, Freunde und Fans feierten in diesem Moment ein Ereignis, auf das sie mehr als anderthalb Jahrzehnte gewartet haben. Nach seinem Sieg gegen Andy Roddick (3:6, 7:6, 7:6, 6:1) wird Hewitt am Sonntag im Finale der Australian Open spielen, 29 Jahre nach dem letzten Titelgewinn eines Australiers, Mark Edmondson, und 17 Jahre nach dem Letzten im Finale, Pat Cash.
Als sie vor einem Jahr in Melbourne beschlossen hatten, das Männerfinale auf die beste Fernseh-Sendezeit abends um halb acht zu schieben, da konnten sie nicht ahnen, welchen Volltreffer sie mit dieser Entscheidung landen würden. Wenn Hewitt Sonntagabend (9.30 Uhr MEZ/live in Eurosport) gegen Marat Safin um den Titel spielen wird, dann werden in diesem sportverrückten Land die Leitungen glühen. Schon bei Hewitts Sieg im Viertelfinale gegen David Nalbandian sahen in der Spitze fast 2,8 Millionen Menschen zu, die Quote wurde beim Spiel gegen Andy Roddick übertroffen, und nach dem Finale werden sie garantiert über neue Rekorde reden.
Hewitts Timing hätte nicht besser sein können; es ist sein Geschenk zum hundertsten Geburtstag des Turniers. Als Pat Cash 1988 im ersten Jahr nach dem Umzug aus der Idylle von Kooyong in den Melbourne Park in einem dramatischen Fünfsatzspiel gegen den Schweden Mats Wilander verlor, hat ja keiner ahnen können, dass sich eine derartige Konstellation so bald nicht wiederholen würde. Ein Endspiel dieser Qualität und Spannung hat es danach nicht mehr gegeben, geschweige denn einen Australier darin.
Vor dem Halbfinale am Freitag kam Pat Cash kurz bei Hewitt in der Kabine vorbei, aber der hätte sich auch ohne moralische Unterstützung kopfüber ins Spiel gegen Roddick gestürzt. Keine Spur von Müdigkeit beim Australier, wie immer der ganz laute, aggressive Krieger; Lleyton, wie er leibt und lebt. Zwar verlor er den ersten Satz im Tiebreak, weil Roddick wie ein Wahnsinniger servierte – einmal vier Asse in einem Aufschlagspiel –, aber er ließ sich nicht abschütteln. Niemand hätte auf die Idee kommen können, dass er im Vergleich mit Roddick aus den Spielen zuvor mehr als doppelt so viele Stunden in den Beinen hatte. Schon lange vor dem Matchball war klar, wer dieses Spiel gewinnen würde.
Auf die Frage, ob es nicht ein Vorteil sei, gegen Marat Safin um den Titel zu spielen und nicht gegen die Nummer eins, Roger Federer, meinte Hewitt, so könne man das nicht sehen. Safin habe schließlich den Besten geschlagen, und allein das spreche für sich – und für ihn. Safin hat einen Tag länger Pause vor dem Spiel, doch das macht Hewitt nichts aus. Er werde es ruhig angehen lassen am Tag vor dem großen Finale, no worries – kein Problem. Und dann? „Ich werde alles geben, was ich habe.“ Das ist gewiss. DORIS HENKEL
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