Im Visier des russischen Geheimdiensts

Olga Zepilowa wollte die Folgen der Kernkraft in geschlossenen Städten untersuchen. Nun hat sie mächtige Feinde

BERLIN taz ■ Sie ist ins Visier des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB geraten – die St. Petersburger Soziologin Olga Zepilowa. Und sie lebt zurzeit mit der Drohung, dass es ihr ähnlich gehen wird wie den Wissenschaftler Igor Sutjagin und Walentin Danilow. Die wurden im vergangenen Jahr wegen angeblicher Spionage zu 15 bzw. 14 Jahren Haft wegen angeblicher Spionage verurteilt

Bereits seit 23 Jahren arbeitet die Wissenschaftlerin zu Ökologie und Ökonomie, unter anderem in Kirischi in der Nähe von St. Petersburg. Dort sorgten ihre Arbeiten für mehr Umweltschutz. Vor diesem Hintergrund entschlossen sich Zepilowa und andere Soziologen, die geschlossenen Atomstädte, die nur mit einer vom Geheimdienst ausgestellten Sondererlaubnis betreten werden dürfen, zum Forschungsgegenstand zu machen.

Die Planung des von der Institutsleitung genehmigten Projektes sah Arbeiten in den geschlossenen Städten Ozersk nahe der Plutoniumfabrik „Majaka“ sowie in Sosnowi Bor in der Nähe von Sankt Petersburg vor. Da der Russischen Akademie der Wissenschaften die Mittel für ein derartiges Projekt fehlen, machte sich die Soziologin 2003 auch im westlichen Ausland auf die Suche nach Geldgebern.

Doch man hatte die Rechnung ohne den Inlandsgeheimdienst FSB und den Direktor der Plutoniumfabrik gemacht. Nachdem der Direktor von „Majaka“ sein Veto gegen die soziologischen Arbeiten eingelegt hatte, wurden der Institutsleiter und Frau Zepilowa zum FSB vorgeladen. Olga Zepilowa wurden Spionage und Staatsverrat vorgeworfen. Besonders schwerwiegend sei der Umstand, dass die Arbeiten auch von einer ausländischen Stiftung finanziert werden. In dem fast fünfstündigen Verhör drohte man Olga Zepilowa, mit ihr wie mit Sutjagin zu verfahren.

Am 13. November 2004 erscheint unter einem Pseudonym ein Artikel in der Komsomolskaja Prawda, in dem Olga Zepilowa beschuldigt wird, mit CIA-Geldern zu arbeiten. UmweltschützerInnen sind geschockt. „Wir hatten große Hoffnungen in die Arbeiten des Teams von Zepilowa gesetzt“, sagt Natalja Mironowa, Vorsitzende der Gesellschaft für atomare Sicherheit in Tscheljabinsk. „Der an die Macht gekommene KGB-Klüngel terrorisiert die Gesellschaft und schüchtert Wissenschaftler und Umweltschützer ein. Ich habe große Angst vor einer Tyrannei der Geheimdienste.“

Und Oleg Bodrow, Umweltaktivist aus der Atomstadt Sosnowi Bor: „Das Ende der soziologischen Forschungen am Ural kann auch Auswirkungen auf unsere Stadt haben, plante doch das Team um Frau Zepilowa bei uns ähnliche Forschungen.“

Doch Olga Zepilowa gibt nicht auf. Nachdem ihre Forderung nach einer Gegendarstellung bei der Komsomolskaja Prawda bislang abgelehnt wurde, will sie diese nun einklagen. Ihr Anwalt will in der kommenden Woche vor Gericht ziehen. Der Zutritt in die geschlossene Stadt Ozersk ist ihr aber mittlerweile verboten worden. BERNHARD CLASEN