DIE JÜDISCHEN SIEDLER IM GAZA-STREIFEN SIND ZUNEHMEND ISOLIERT : Demonstration schlechten Geschmacks
Wenn man einen Löwen in die Enge drängt, brüllt er und beißt vielleicht sogar. So ähnlich scheint es den jüdischen Siedlern zu gehen, denen diese Woche eine „Machtdemonstration“ gelang, wie die beiden auflagenstärksten israelischen Blätter im Wortlaut auf ihren Frontseiten schrieben. 150.000 Demonstranten gegen den Abzugsplan der Regierung sind Signal für die Ernsthaftigkeit und für die Not derer, deren Häuser auf der Liste des Räumungsplans stehen.
Die überraschend schnellen Erfolge, die Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach dem Tod seines Vorgängers Jassir Arafat liefert, blasen den Juden im Gaza-Streifen einen kalten Wind ins Gesicht. Das Ende des Raketenbeschusses und der Terroranschläge gegen Israel lassen die bislang mit den Siedlern solidarischen Stimmen verklingen, die gegen einen „Abzug unter Feuer“ protestierten, der als Kapitulation vor den fundamentalistischen Widerstandsgruppen interpretiert werden würde.
Doch selbst noch zu Arafats Zeiten trat die Mehrheit der israelischen Bevölkerung für eine Aufgabe des Gaza-Streifens ein, wenngleich erst im Anschluss an ein Referendum, was die Siedler nun erneut fordern. Die meisten Israelis werden indes auch ohne Volksbefragung die Regierung bei dem noch in diesem Jahr stattfindenden Rückzug unterstützen. Ob mit oder ohne Massenproteste der Betroffenen, die schon ankündigten, bald weitere Register zu ziehen. Da ist von der Errichtung einer KZ-ähnlichen Anlage die Rede und von Trainingslagern zur körperlichen Vorbereitung auf die Konfrontation mit den Soldaten.
Auf einen orangefarbenen Judenstern verzichteten die Siedler infolge des öffentlichen Aufruhrs inzwischen freiwillig. Doch wenn es darum geht, in den Schlagzeilen zu bleiben, dann müssen eben auch mal die Gefühle der Holocaust-Überlebenden herhalten, schließlich gibt es bis heute nichts Geeigneteres, wenn man provozieren will. Überzeugender wird der Protest der Siedler damit nicht. Sie demonstrieren nur, dass sie nicht bereit sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen, und darüber hinaus ihren schlechten Geschmack. SUSANNE KNAUL