: Sollen schwule und lesbische Paare Kinder adoptieren dürfen?
FAMILIENPOLITIK Schwule und Lesben besitzen noch immer nicht die gleichen Rechte
An dieser Stelle sollten eigentlich zwei Menschen des öffentlichen Lebens oder taz.de-Leser Stellung beziehen. Genauer: Sie sollten die Möglichkeit bekommen, sich gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare auszusprechen.
Die Idee für diesen „Streit der Woche“ entstand anlässlich der vor der Tür stehenden CSD-Saison: Vor genau 40 Jahren begehrten die Schwulen und Lesben in der New Yorker Christopher Street gegen die Unterdrückung durch Staat und Gesellschaft auf – es war der Beginn der modernen, zweiten Homobewegung. In Deutschland wurde vor 10 Jahren die erste „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ amtlich, bei der neben vielen anderen Rechten das Adoptionsrecht außen vor blieb.
Die Redaktion fragte sich, ob die aktuelle sonntaz-Frage überhaupt noch zeitgemäß ist: Dass Schwule und Lesben nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert sind, gilt längst als Selbstverständlichkeit. Doch warum sind sie immer noch nicht voll gleichberechtigt? Wenn sich alle einig sind, warum ist dann die Homoehe noch immer nur eine halbe?
Über eine Woche lang baten wir um Beiträge: Jastimmen zu bekommen war kein Problem. Für ein offenes Nein fand sich jedoch nur Norbert Geis. BischöfInnen, Jugendamtsleiter, Peter Hahne, der Zentralrat der Muslime in Deutschland, die Caritas – entweder sie hatten keine Zeit, waren verreist oder wollten sich nicht offiziell äußern.
Auf taz.de wird die Frage einige Tage vorher gestellt, damit LeserInnen die Möglichkeit haben, mit ihrem Beitrag in der Wochenendausgabe der taz zu erscheinen. Es gingen über 70 Kommentare ein – rekordverdächtig viele. Aber: Die Gegner des vollen Adoptionsrechts, rund ein Viertel der Kommentierenden, schrieben stets anonym: „Homosexualiät ist doch völlig konträr zur Fortpflanzung“ schrieb „shikkl“. „Wer sich mit der kindlichen Entwicklung beschäftigt, wird auch sehen, wie wichtig es Kindern ist, sowohl männliche als auch weibliche Bezugspersonen zu haben“, meinte „Tena“. „Spätestens wenn das Kind von seinen Mitschülern angesprochen, im schlimmsten Fall drangsaliert wird, muss man einfach nach den Folgen fragen“, sinnierte der User unter dem Pseudonym „Kindeswohl?“.
Besteht nun ein Widerspruch zwischen einem gesellschaftlichen Konsens – Schwule und Lesben sind selbstverständlich gleichberechtigt – und der im Vergleich zu anderen Ländern wie Schweden und Spanien rückständigen deutschen Gesetzeslage? Oder ist es vielmehr so, dass die Debatte über diese Frage aufgrund des Gebotes der „Political Correctness“ nicht offen geführt wird? Es gilt als nicht mehr schicklich, offen Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebensweisen zu äußern. Nur hinter vorgehaltener Hand traut man sich, seinem Unbehagen Ausdruck zu verleihen. Gut, man hat einen schwulen Friseur und eine lesbische Kollegin, kein Problem. Aber müssen die nun auch noch unbedingt Kinder haben?
Für Schwule und Lesben ist es ein Fortschritt, dass sie nicht mehr offen beschimpft werden. Eine offene Diskussion auch bei strittigen Fragen wäre womöglich ein weiterer.
JA
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jahrgang 1951, ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP
Viele Kinder wachsen mit schwulen, lesbischen oder bisexuellen Eltern auf. Manchmal stammen die Kinder aus früheren heterosexuellen Partnerschaften. Manchmal wurde ein Kind von einer Einzelperson adoptiert. Manchmal entstammt es einer künstlichen Befruchtung. Selbst in diesem Fall kann eine verpartnerte lesbische Frau das Kind nicht einfach gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin annehmen – trotz der möglichen Stiefkindadoption. Sie eröffnet zwar den Weg für die Adoption, aber der Weg ist in Deutschland nicht einfach. Nach wie vor besitzen eingetragene Partner nämlich kein gemeinsames Adoptionsrecht. Das bleibt Verheirateten vorbehalten. Kinder aus Regenbogenfamilien brauchen den gleichen Respekt und die gleiche Sicherheit wie alle anderen Kinder auch. Respekt entsteht auch durch die gleiche Behandlung der Kinder vor dem Gesetz. Ein gemeinsames Adoptionsrecht für homosexuelle Paare leitet keinen „Anspruch auf ein Kind“ ab, sondern schafft zuallererst mehr Rechtssicherheit. Spanien, Großbritannien und Schweden machen es vor, im Interesse der Kinder.
Jossi Even-Kama, Jahrgang 1978, ist israelischer Student und bei zwei schwulen Männern aufgewachsen
Ich verließ als 16-Jähriger meine leibliche Mutter und meinen Pflegevater, da beide meine Homosexualität nicht akzeptierten. Zuvor hatte ich schon Kontakt zu einem meiner heutigen Väter aufgenommen, Professor Usi Even, Menschenrechtsaktivist und später im Auftrag der linken Partei Meretz erster schwuler Parlamentarier in der Knesset. Heute bin ich Student an dem Schenkar-College für Grafikdesign. Ich bin schließlich zu meinen neuen Vätern gezogen, deren Familiennamen ich dann auch angenommen habe. Trotzdem endete mit meiner Volljährigkeit hier in Israel jede formale Verbindung. Wir nahmen daraufhin einen aussichtslos erscheinenden Prozess auf uns, der über unglaubliche 14 Jahre dauern sollte. Meine Adoption ist erst seit ein paar Monaten rechtskräftig. Es ist zugleich das erste Mal, dass ein israelisches Gericht zwei schwulen Männern die Adoption erlaubt. Natürlich muss homosexuellen Paaren, ganz gleich ob es sich um zwei Frauen oder zwei Männer handelt, das Recht, Kinder zu adoptieren, zugesprochen werden. Hier geht es um einen Grundpfeiler der Gleichberechtigung. Genauso, wie ich mich für oder gegen eine Partnerschaft entscheiden will, muss ich das Recht haben, eine Familie zu gründen. Solange Leihmütter in Israel nicht legal sind, bleibt für schwule Männer praktisch nur die Adoption. Was ausschließlich bei der Wahl von Adoptiveltern entscheidend sein sollte, ist das Wohl des Kindes. Das Kind braucht Liebe, Aufmerksamkeit, Zuneigung. All das kann es von zwei Männern genauso gut bekommen wie von zwei Frauen oder von einem heterosexuellen Paar. Das Argument, dass es nicht zum Wohl des Kindes ist, wenn es nicht in einer normativen Familie aufwächst, setzt voraus, dass wir die gesellschaftlichen Normen akzeptieren. Das ist die Frage vom Huhn und dem Ei. In meinem Fall war die Adoption für beide Seiten richtig und gut. Es wäre schön, wenn sich mehr Schwule bereit zeigten, auch größere Kinder zu adoptieren.
Katrin Göring-Eckardt, Jahrgang 1966, ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages für die Grünen und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland
Entscheidend muss sein, was dem Wohl des Kindes dient. Kinder, die in Armut aufwachsen, verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. Diejenigen, die mit einem Elternteil leben, brauchen als Familie Unterstützung. Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu Hause sind und von ihren lesbischen Müttern und schwulen Vätern geliebt und versorgt, beschützt und gefördert werden, brauchen selbstverständlich auch die Rechtssicherheit im Unterhalts- und Erbrecht, die ihnen bisher verwehrt ist. Schließlich übernehmen beide Elternteile Verantwortung und sorgen für sie.
Nein
Norbert Geis, Jahrgang 1939, ist Bundestagsabgeordneter der CSU
Die Adoption ist der Wunsch vieler gleichgeschlechtlicher Paare. Der Gesetzgeber hat dies bislang verneint. Es geht dabei um die Ehe zwischen Mann und Frau. Sie ist nach unserem Grundgesetz und der Tradition unserer Kultur die menschliche Gemeinschaft, in welcher das Kind am ehesten in Geborgenheit und Zuwendung aufwachsen kann. Die Ehe darf deshalb nicht abgewertet werden. Darüber hinaus stellen sich gleich mehrere Fragen. Es ist ein Unterschied, ob zwei Männer ein Kind adoptieren wollen oder zwei Frauen. Das Kleinkind findet wohl eher bei einer mütterlichen Frau die für seine Entwicklung notwendige Bezugsperson. Ein Unterschied ist es auch, ob eine der beiden Personen der wirkliche Vater oder Mutter ist oder ob keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen. Entscheidend aber ist, dass zu einer natürlichen Entwicklung die Beziehung zum Vater wie auch zur Mutter gehören muss und nicht zu Vater und Vater oder Mutter und Mutter. Die Geschlechter sind nicht gleich. Es geht um das Wohl des Kindes.