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Archiv-Artikel

Hugo Chávez ist der Star

Das Weltsozialforum umjubelt den Venezolaner. Der schimpft auf die USA

PORTO ALEGRE taz ■ Der Liebling der lateinamerikanischen Linken ist Hugo Chávez schon länger. Nun möchte sich Venezuelas Staatschef gleich noch an die Spitze der Weltbürgerbewegung setzen.

Das Weltsozialforum müsse seiner sozialen Agenda auch eine „Strategie der Macht“ hinzufügen, sagte er vorgestern bei seinem Besuch auf einer Kooperative der brasilianischen Landlosenbewegung MST. Das „Projekt des Lebens“ müsse sich gegen das „Projekt der Zerstörung dieses schönen Planeten“ durchsetzen. Weil die Umverteilung von Land und andere Sozialreformen in Brasilien immer noch nicht in Gang kommen, gilt Chávez immer mehr brasilianischen Basisaktivisten als positive Kontrastfigur zu ihrem eigenen Präsidenten.

Anders als vor zwei Jahren, als Chávez zu Hause unter Druck stand und in Porto Alegre nach Rückhalt suchte, war er diesmal gelöst und souverän. Die diplomatische Krise mit Kolumbien ist beigelegt, auch dank der Vermittlung Fidel Castros. Er strebe einen „menschlichen Sozialismus“ an, bei dem nicht der Staat, sondern der Mensch im Mittelpunkt stehe, sagte Chávez auf einer Pressekonferenz. Als direkte Antwort auf US-Außenministerin Condoleezza Rice, die ihn vor kurzem als „negativen Faktor der Region“ bezeichnet hatte, rief er: „Die größte negative Kraft der Welt sind die USA.“

Höhepunkt war sein Auftritt in der Sporthalle Gigantinho. Fünf Stunden vor Redebeginn hatte sich eine anderthalb Kilometer lange Schlange gebildet, in der Halle sorgten lateinamerikanischen Liedgut und gelb-blau-rot gekleidete Einpeitscher mit Revolutionsparolen für Stimmung. Zur visuellen Inszenierung gehörten neben Pappmonden und -sternen riesige Tafeln mit den Wörtern „Sozialismus“, „Integration“, „Organisation“, „Einheit“ oder „Kampf“. Nach dem umjubelten Einzug des Idols wurde Chávez als Gastgeber des Amerika-Sozialforums im Januar 2006 bestätigt, eines der drei oder vier für 2006 geplanten Regionalforen. Anschließend präsentierte Ignacio Ramonet von Le Monde diplomatique Chávez als „Revolutionär neuen Typs“ und als „neuen Befreier“.

Der Präsident selbst stellte sich in gewohnter Bescheidenheit in eine Reihe mit Jesus Christus und lateinamerikanischen Ikonen wie Simón Bolívar, Augusto César Sandino oder Che Guevara. „Die Rettung des Planeten kommt aus dem Süden“, rief er. Sollte sich die Bush-Doktrin durchsetzen, drohe eine Beschleunigung des Klimawandels und eine Katastrophe, die den Tsunami in Asien um ein Vielfaches übertreffe. „Alle Imperien verrosten von innen und fallen eines Tages“, so Chávez weiter. „Wenn der nordamerikanische Imperialismus fällt, wird das Volk die Oberhand gewinnen, so wie es Martin Luther King erträumt hat.“ GERHARD DILGER