: Mehr Boys in Braun
Vortragsreihe zu Fußball und Nationalsozialismus holt NS-Vergangenheit der Vereinsmäzene ans Licht
Der Chef des HSV-Museums, Dirk Mansen, war überrascht: „Die Sache hat den internen Kreis nicht verlassen. Ich habe bisher nur mit dem Vorstand darüber gesprochen.“ Die Sache: Die NSDAP-Mitgliedschaft des legendären HSV-Mäzens Paul Hauenschild. Diese brachten vor einer Woche Zuhörer eines Vortrags von Mansen zur Vereinsgeschichte in der NS-Zeit auf den Tisch. Sie forderten die Umbenennung des nach dem schwerreichen Firmenbesitzer benannten HSV-Trainings-Geländes. Mansen widersprach nicht. Einfach werde es aber nicht, sagte er.
Das Areal heißt nicht nur nach dem „Onkel Paul“ Gerufenen, es wurde 1928 mit seinem Geld gekauft und an den HSV vermietet. Der Mäzen hat den Verein zeitlebens unterstützt und ihm sein Vermögen in siebenstelliger DM-Millionen-Höhe vermacht, eine nach ihm benannte Stiftung betreut es. Laut seiner Entnazifizierungsakte war er einfacher Parteibuchträger.
Beim Nachbarn FC St. Pauli reichte Vergleichbares für eine Umbenennung. „Es passiert nicht oft, aber hier könnte der HSV von St. Pauli lernen“, sagte taz-Autor René Martens am Montag beim zweiten Teil der Hamburger Vortragsreihe „Fußball und Nationalsozialismus“. Sein Thema: „Boys in Brown“. Martens hatte sich für die Neubenennung von St. Paulis guter Stube in „Millerntor-Stadion“ vor fünf Jahren eingesetzt. Seit den 1960er Jahren hatte dieses nach dem langjährigen Präsidenten Wilhelm Koch geheißen, der genauso wie Hauenschild Parteimitglied war. Die „Obernazis“ bei den Braun-Weißen waren aber andere. Zum Beispiel „Dr.“ Otto Wolf, einer der „Top-Ten-Nazis“ (HSV-Museumschef Mansen) Hamburgs, zuständig für die Organisation der Zwangsarbeit in der Stadt. Von St. Pauli bekam er in der Nachkriegszeit die Goldene Ehrennadel verliehen – ob für langjährige Mitgliedschaft oder „besondere Verdienste“, ist bis heute nicht rekonstruierbar. „Der Verein hat sowieso nichts“, beklagt Martens, es gibt beim FC St. Pauli kein Archiv, keine Mitgliederlisten, die Erinnerung an die NS-Zeit des heute politisch vorzeigbaren Clubs liegt in den Heimarchiven einiger Mitglieder.
Die gut besuchten Vorträge in der Hamburger Konsum-Bar – eher Mauernische als Hörsaal – könnten ein Anlass sein, das Thema aus der Privatschatulle herauszubringen. Genau so, wie der HSV es mit seinem Museum bereits begonnen hat. MARKUS FLOHR
Weitere Termine: 14.02., „Fußballjournalismus im Nationalsozialismus“; 21.02., „Davidstern und Lederball“; 14.03., „Stürmer für Hitler“. Jeweils 20 Uhr, Konsum-Bar, Stresemannstraße 13, Hamburg St. Pauli.