: Imame, made in Berlin
Der muslimische Dachverband Ditib will türkische Berliner in Ankara zu Vorbetern ausbilden lassen
Die Kritik ist alt: In den deutschen Moscheen predigen und lehren Imame, die kaum Deutsch sprechen und auch vom Alltag der hier lebenden Muslime keine Ahnung haben. Denn sie werden für den Dienst in der Moschee meist direkt aus dem Ausland eingeflogen. Wie sollen sie also zur Integration beitragen? Das gilt bislang auch für die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), den größten Dachverband der Muslime hierzulande. Doch das will Ditib jetzt ändern.
Der Dachverband will türkischstämmige Berliner, die hier ihr Abitur gemacht werden, in der Türkei zu Imamen ausbilden. Nach ihrem Theologiestudium sollen sie nach Berlin zurückkehren und in den Moscheen arbeiten. Das sagte gestern Ziya Ersin, der Vorsitzende von Ditib Berlin. „Damit wollen wir für eine Übergangsphase eine Lösung finden“, so Ersin weiter. Ziel müsse sein, Imame und islamische Religionslehrer in Deutschland auszubilden.
Zumindest Letzteres ist inzwischen in Münster möglich. Die dortige Univerität hat im vergangenen Jahr als erste bundesweit einen Lehrstuhl für Religion des Islam eingerichtet. Eine Ausbildungsstätte für islamische Geistliche gibt es hierzulande noch immer nicht.
Das Ditib-Projekt soll bundesweit laufen, aber in Berlin starten, konkretisierte Vorstandsmitglied Hüseyin Midik. Er geht davon aus, dass es innerhalb des kommenden Jahres beginnen kann. Die Gespräche mit der Universität Ankara seien schon recht weit gediehen. Jugendliche angesprochen habe man aber noch nicht. Midik hat aber keine Zweifel daran, dass sich genug junge Männer finden lassen, die an einer theologischen Ausbildung Interesse haben.
Geklärt werden müssen aber auch andere Fragen. Schließlich ist Ditib kein autonomer Verband, sondern eine Gründung des türkischen Staates. Die Imame, die hierzulande in den Ditib-Moscheen arbeiten, sind Beamte des türkischen Staates, das Konsulat hat die Dienstaufsicht. Auch ausländerrechtliche Probleme könnten sich stellen. Denn wer türkischer Staatsbürger ist, kann sich nicht einfach längere Zeit im Ausland aufhalten, ohne sein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu gefährden. „Das müssen wir noch klären“, räumt Midik ein.
Die Grünen, die gestern gemeinsam mit Pressevertretern in der Berliner Ditib-Zentrale in Kreuzberg zu Gast waren, begrüßten die Initiative. „Das könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein“, sagte der migrationspolitische Sprecher Özcan Mutlu.
In Berlin, so schätzt man, leben etwa 220.000 Muslime, die weitaus meisten von ihnen stammen aus der Türkei. 13 der insgesamt knapp 80 Moscheen der Stadt gehören zu Ditib, darunter auch die große Sehitlik-Moschee am Neuköllner Columbiadamm. Nach einer bundesweiten Befragung des Essener Zentrums für Türkeistudien ist jeder dritte türkischstämmige Muslim in einem Moscheeverein organisiert. Fast drei Viertel von ihnen fühlen sich von Ditib vertreten. SABINE AM ORDE