: Klimaskepsis mit Moral
Zweifel an der Berechenbarkeit der Zukunft: Michael Crichton stellte in Berlin in der Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden sein neues Buch „Welt in Angst“ vor
Ein besseres Szenario hätte sich Michael Crichton für seine Buchvorstellung nicht wünschen können. Schräg gegenüber der Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden leuchten vom einstigen Palast der Republik neon-grell die skulpturalen Großbuchstaben des norwegischen Künstlers Lars Ø Ramberg herunter und formen ein weithin sichtbaren Wort: Zweifel. Genau die möchte ja auch der amerikanische Bestseller- und Thrillerautor Crichton mit seinem neuen Buch „Welt in Angst“ säen: Zweifel an der von den Menschen verursachten globalen Erwärmung, Zweifel daran, dass sich die Zukunft „berechnen“ lässt.
Schon die Leinwand in einem der Vortragssäle des Bertelsmann-Hauses verweist darauf, dass an diesem Abend keine gewöhnliche Buchvorstellung stattfindet. Michael Crichton ist nicht gekommen, um zu lesen, sondern um aufzuklären, mittels Zahlen, Grafiken und Bildern, und wenn schon nicht zu überzeugen, so doch, um besagte Zweifel an den vermeintlich unumstößlichen Erkenntnissen der Ton angebenden Klimaforschung anzumelden.
So begnügen sich im folgenden Klaus Eck, Geschäftsführer von Random House, und Eckhard Fuhr, Feuilletonchef der Welt, mit einem Grußwort und einer kurzen, herkömmlich feuilletonistisch Autorenvorstellung, um Crichton schnell das Wort zu übergeben. Crichton sagt nur, er versuche jetzt zu erklären, dass die Zukunft nicht vorausgesagt werden könne, und schreitet zur Tat: zeigt Grafiken, die beweisen sollen, dass die globale Temperatur in den letzten zweihundert Jahren keineswegs bedrohlich gestiegen ist, präsentiert am Computer manipulierte Temperaturkurven, belegt den Irrwitz von Gleichungen und streut auch ein Mark-Twain-Zitat ein: Wenn du merkst, dass du dich auf der Seite der Mehrheit befindest, ist es Zeit, eine Pause einzulegen und nachzudenken.
So wie Crichton sich präsentiert, bekommt man den Eindruck, dass hier ein Überzeugungstäter am Werk ist, dass es ihm ernst ist und er nicht nur der Publicity halber gegen den Stachel locken will. Schlank ist Crichton, fast zwei Meter groß. In einem schwarzen Anzug und mit einem ernsten, manchmal gar besorgten Gesicht steht er an seinem Pult, trinkt aus einer extrem kleinen Wasserflasche und deutet an, dass er mit „Welt in Angst“ was bewegen und nicht nur als Fußnote in die Geschichte eingehen wolle. Um seine Thesen zu belegen, ist ihm jedes Mittel recht: Er spürt selbst der Wortwahl der Umweltschützer akribisch nach, zitiert deren verhaltene bis leere Sätze wie „Climate change may be partly predictible“ („may be? partly?“), deckt Widersprüche auf und hat auch nichts gegen demagogisch anmutende Plattheiten.
Ein Porträt von Theodore Roosevelt beschriftet er mit haufenweise einzelnen Wörtern, die die Entwicklungen und Fortschritte der letzten Jahrzehnte anzeigen und von denen Roosevelt nicht den blassesten Schimmer hatte: Jet Stream, Tsunami, HIV, Handy, E-Mail etc. pp. Klar, dass bei so viel ungeahntem Fortschritt auch dass Gegenmodell nicht weit ist: ein hungerndes Kind in Afrika, dass jedem Fortschritt Hohn spricht. Der Klimaskeptiker kennt seine Moral und weiß, wo viel Geld viel besser investiert wäre. Bei so viel Offensichtlichkeit – wer wüsste nicht um den Wahnwitz im Forschungsstreben der Menschheit? – erübrigt sich an diesem Abend, da nur geladene Gäste gekommen sind, auch jede erregte Diskussion ob Crichtons Thesen. Zumal die Welt vielleicht gar nicht so in Angst ist, wie Crichton suggeriert, man denke da nur an die Achtzigerjahre, oder inzwischen andere Ängste als die globale Klimaerwärmung akuter sind.
Die einzige Frage, die an Crichton gerichtet wird, bezieht sich auf den 11. 9: Ob er sich vorstellen könne, darüber zu schreiben? Crichton antwortet mit einer persönlichen Geschichte. An diesem Tag sei er selbst im Flugzeug von New York nach L.A. gesessen und in Indianapolis vom Himmel geholt worden. Über diesen Tag und dessen Folgen, so Crichton, werde er niemals schreiben.
GERRIT BARTELS