Traumgewinn bei der Deutschen Bank

Frankfurt, wie es singt und lacht: Deutschlands größte Bank erzielt knapp 20 Prozent Rendite. „Pathologisch“, meinen Kritiker. Die Bank rechtfertigt sich mit ähnlichen Zahlen der internationalen Konkurrenz – und kürzt weiter Stellen

BERLIN taz ■ Die Deutsche Bank ist Spitze. Wenn Deutschlands größtes Finanzinstitut heute seine Bilanz für das Jahr 2004 präsentiert, wird eine Zahl eine ganz besondere Rolle spielen: die Eigenkapitalrendite. Einfach ausgedrückt, beschreibt diese Größe die Rendite für die großen und kleinen Aktionäre. Bei der Deutschen Bank wird sie für das vergangene Jahr knapp 20 Prozent betragen – und erreicht damit eine Höhe, die namhafte Ökonomen für äußerst bedenklich halten.

Als „völlig pathologisch“ bezeichnet Leonhard Knoll, Wirtschaftsprofessor in Würzburg, die Übertreibungen der großen Aktiengesellschaften in Sachen Shareholder-Value. „Die Renditemaximierung darf nicht das oberste Ziel sein“, sagt Knoll. Das liege langfristig weder im Interesse der Aktionäre noch in dem der Beschäftigten. Denn derart hoch gesteckte Ziele können eigentlich rentable Projekte innerhalb der Firmen verhindern – weil sie nicht die geforderte Extremrendite erzielen.

Siemens, DaimlerChrysler und andere Unternehmen des Deutschen Aktienindex überbieten sich gegenseitig. 10 bis 15 Prozent angestrebte Rendite sind keine Seltenheit. Die Spitze hält jedoch die Deutsche Bank mit ihrem Ziel, bis Ende 2005 die Verzinsung des eingesetzten Kapitals auf 25 Prozent hochzuschrauben. Von Januar bis September 2003 hat die Bank nach eigenen Angaben eine durchschnittliche Eigenkapitalrendite in Höhe von 18 Prozent erzielt – Tendenz steigend.

Ein Euro Eigenkapital macht damit rechnerischen 18 Cent Gewinn. Zum Vergleich: Wer Bundesanleihen mit 30-jähriger Laufzeit kauft, darf mit einer jährlichen Verzinsung von 4 Prozent (oder 4 Cent je Euro) rechnen. Wenn ein Aktienfonds gut läuft, bringt er 8 Prozent.

Um ihr Ergebnis möglich zu machen, hat die Deutsche Bank Geschäftsbereiche abgestoßen, die Gewinne mit Privat- und Geschäftskunden gesteigert – und die Kosten reduziert. Für die Beschäftigten heißt das: Von 2000 bis 2004 ist mehr als jede vierte Stelle gestrichen worden, ihre Gesamtzahl von 89.784 auf 65.374 gesunken. 2005 sollen jetzt weitere 1.900 Arbeitsplätze verschwinden. Ein Ende der Kürzung ist nicht in Sicht.

Aus Sicht der Deutschen Bank ist die Entwicklung folgerichtig. „Wir stehen im internationalen Wettbewerb“, sagt Sprecherin Kirsten Siersleben. Die angestrebte Eigenkapitalrendite müsse sich an dem orientieren, was andere transnationale Großbanken erwirtschaften. Die UBS-Bank habe 27 Prozent erzielt, die City Bank, die die Deutsche Bank beinahe geschluckt hätte, sogar 30 Prozent.

Um sich angesichts dieser Verhältnisse ausreichend mit Geld versorgen zu können, müsse die Deutsche Bank also ihren Anlegern vergleichbare Bedingungen bieten, so Siersleben: „Wir konkurrieren um Kapital.“

Ergebnis: Vor Steuern hat die Deutsche Bank 2004 rund 5 Milliarden Euro Gewinn gemacht. In voller Höhe an die Aktionäre ausgezahlt wird die Rendite nicht. Zunächst einmal stellt sie eine Rechengröße dar – wenngleich auch die Dividende zugunsten der Kapitaleigner unlängst auf 1,50 Euro pro Aktie erhöht wurde.

Dass die Betrachtung der Eigenkapitalrendite eine einseitige Konzentration auf die Aktionäre darstellt, bestreitet auch Reinhard Kudiß vom Bundesverband der Deutschen Industrie nicht. Und zu Ende sei dieser Trend noch längst nicht, heißt es beim Lobbyverband: Vor dem Hintergrund der internationalen Konkurrenz müssten die Unternehmen eben so handeln. Die hohen Renditen spiegelten aber auch die gute Gewinnsituation vieler Firmen in Deutschland. In den vergangenen Jahren hätten sie erfolgreich Kostensenkung, Umstrukturierung und Schuldenabbau betrieben, so Kudiß.

HANNES KOCH