Knesset-Rede
: Präsidiale Unschärfen

Zwischen Deutschland und Israel könne es nicht das geben, was man Normalität nennt, betonte Bundespräsident Horst Köhler in der Knesset. Er hat Recht. Die Monstrosität der nationalsozialistischen Verbrechen wird das Verhältnis der beiden Länder und ihrer Bevölkerung noch über Generationen hinweg prägen, wenn die letzten Zeitzeugen längst gestorben sind. Deshalb ist auch die Rede eines deutschen Staatsoberhauptes vor dem israelischen Parlament eine schwierige Gratwanderung. Wie schwierig – das hat sich gestern gezeigt.

KOMMENTARVON BETTINA GAUS

Der Bundespräsident hat in der Knesset kluge und notwendige Dinge gesagt. Sein Wort, die Verantwortung für die Shoah sei ein Teil der deutschen Identität, weist weit über die unmittelbare Gegenwart hinaus. Zugleich hat Köhler damit das unsägliche Argument vom Tisch gefegt, es müsse doch nun mal Schluss sein mit der Vergangenheitsdebatte, da die meisten Deutschen inzwischen zu jung seien, um individuelle Schuld auf sich geladen zu haben. Indem er forderte, Rechtsextremismus und Antisemitismus offensiv zu bekämpfen, holte er außerdem die Vergangenheit von der Kanzel für Sonntagsreden herunter und hinein in den politischen Alltag.

Die Ansprache des Bundespräsidenten muss niemandem peinlich sein, und das ist schon viel wert. Und dennoch beweist der Text gleich mehrfach, dass ein Redner bei einer solchen Gratwanderung sehr leicht ins Straucheln geraten kann. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland seien „für uns ein Zeichen des Vertrauens, über das wir uns freuen“, steht im Manuskript. Wer sind „wir“? Wir Deutschen? Gehören jüdische Deutsche nicht in dieses Wir? So hat Köhler es gewiss nicht gemeint. Aber die Formulierung grenzt aus. Dass dies nicht beabsichtigt gewesen ist, macht es nicht besser.

Wie schwierig es ist, die richtigen Worte zu wählen, zeigte sich auch an den Sätzen, die der Gast zum israelisch-palästinensischen Verhältnis fand. Ganz gewiss war dies nicht der Ort und nicht die Stunde für mahnende Worte ausgerechnet aus dem Munde eines Deutschen. Aber ausschließlich den – wahrlich verbrecherischen – palästinensischen Terror zu geißeln und israelische Menschenrechtsverletzungen mit keinem Wort zu erwähnen: Das wird der Situation auch nicht gerecht. Horst Köhler wäre wohl besser beraten gewesen, zu diesem Thema gestern einfach zu schweigen. Zu den deutsch-israelischen Beziehungen gibt es genug zu sagen.