: Verdächtig heruntergespült
Fußball-Wettskandal: Groteske Umstände, Justiz-Pannen und runtergespülte Kontoauszüge in der Toilette bei der Hausdurchsuchung des neuen Aachener Profis Laurentiu-Aurelian Reghecampf
AUS AACHENBERND MÜLLENDER
Offenbar ist die Ermittlungstätigkeit deutscher Justizbehörden mittlerweile auf jenes Niveau abgesackt, auf dem der DFB versucht, dem Chaos um die Wett-skandale Herr zu werden. Am Mittwochmorgen haben sich seltsame Dinge abgespielt: Um 5 Uhr 30 klingelte beim Profi des Zweitligisten Alemannia Aachen Laurentiu-Aurelian Reghecampf das Handy. Am Apparat: die Cottbuser Polizei. Man stehe mit einem Durchsuchungsbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vor seiner Lausitzer Wohnung, aber niemand mache auf. Der Rumäne teilte den fußballfremden Beamten mit, er habe seit etwa einem Monat einen neuen Arbeitsplatz in Aachen gefunden, wohne derzeit daselbst im Hotel Quellenhof. Und falls sie doch in seine Cottbuser Wohnung möchten: Im gleichen Haus wohne seine Tante, wenn man da bitte klingeln möchte, die habe einen Schlüssel.
Zwar ist die Exekutive um Wochen hinter der Zeit, aber zu schnellem Konter fähig. Eine halbe Stunde später standen Aachener Polizeikollegen in Reghecampfs Hotelzimmer. Dort präsentierten sie den Durchsuchungsbeschluss, wonach der „ehemalige Spieler des FC Chemnitz“ verdächtig sei, mit den kroatischen Brüdern Sapina aus dem berüchtigten Berliner Cafe King Spiele manipuliert zu haben „zum Beispiel das Spiel Paderborn – Chemnitz“ (Regionalliga am 22.5.04). Der Haken: Reghecampf hat nie für Chemnitz gespielt (sondern damals fast zeitgleich für Energie Cottbus das 1:0 gegen Regensburg geschossen). Da sind Schiebereien schwer, selbst wenn der Schiedsrichter in Paderborn auch damals Robert Hoyzer hieß.
Aber bitte: Chemnitz, Cottbus – beides ist tiefer Osten und klingt zum Verwechseln ähnlich, schließlich fängt beides fast mit „K“ an. Reghecampfs Aachener Anwalt spricht von Skandal, Rufmord und Spießrutenlaufen. Im Aachener Polizeipräsidium, so ein Beamter gestern zur taz, habe man sich im Nachhinein „unter Kollegen sehr amüsiert über diese Peinlichkeiten“: In Berlin seien wohl „alle sehr in Hektik“. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft Michael Grunwald kannte bis gestern den Wortlaut des Amtsgerichtsbeschlusses nicht und spricht gegenüber der taz von „einem möglicherweise bedauerlichen Schreib- oder Übermittlungsfehler“, den man wohl „aufklären muss“.
Einen grotesken Fehler machte allerdings auch Reghecampf. Während sich die Beamten Mittwoch morgen umsahen, verschwand er auf die Zimmertoilette und begann Kontoauszüge zu zerreißen und abzuspülen. Er wurde vorläufig festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt, Handy und Laptop beschlagnahmt. Am Mittag war er wieder auf freiem Fuß. Haftbefehl erging nicht. Naiv ließ der kleine Dribbler wissen, die Auszüge seien Privatsachen gewesen, die niemanden etwas angehen.
Wie viele andere auch hatte der 29-jährige einfache Nationalspieler eine eidesstattliche Versicherung „als eine Ehrenerklärung“ abgegeben gegen die Unterstellungen „durch den vormaligen Schiedsrichter Hoyzer“. Nur einmal „vor zirka anderthalb bis zwei Jahren“ sei er „mit einem Spielerfreund“ zu Gast gewesen im Berliner Cafe King. Dieser Freund war Tomislav Piplica, der im Cottbuser Tor mit seinen Eskapaden schon manchen Gegner entzückte. Ist es verdächtig, dass die Betreiber der Zockerbude, so Reghecampfs Anwalt jetzt, auf ihrer Website (“Getränkekarte: Wir empfehlen Desperados 3,60 EUR“) ein Foto der beiden Gäste platziert hätten. Das allerdings gestern nicht auffindbar war.
Die auf dem Platz so angriffsfreudige Alemannia geht derweil in Deckung. Nach dem desaströsen Rückrundenstart mit zwei torlosen Niederlagen kriegt der selbst ernannte Aufstiegs-Topfavorit erst einigen Spott ab für seine vorlauten Ansprüche (Kai Michalke: „Wer soll denn besser sein als wir?“) und dann das Alltagsgeschäft schwer auf die Reihe: Die zeitweilige Festnahme des teuersten Spielers der Clubgeschichte (600.000 EUR Ablöse) wurde auf der Website bis gestern Mittag komplett unterschlagen. Die Fans schwanken in ihrem Forum zwischen Verständnis (“Jeder hat doch kleine Leichen im Keller. Ich hab auch schon Kontoauszüge vernichtet“) und Skepsis: „Aber nicht morgens um Sieben, wenn die Polizei danebensteht.“
Kann es ein Indiz für Reghecampfs Unlauterkeit sein, dass er in der Hinrunde für Cottbus zwei Elfmeter verschoss? Der Rumäne wird jedenfalls der erste aktuell beschuldigte Profikicker sein, der vor fremden Publikum aufläuft. Alemannia spielt am Sonntag in Karlsruhe, und da darf man einiges an Fan-Getöse erwarten. Dennoch, sagt Sportdirektor Jörg Schmadtke, es gebe „keine Überlegungen Reghecampf draußen zu lassen“. Und zur Aktenvernichtung fällt dem Manager schulterzuckend ein etwas seichter Vergleich ein: „Vielleicht ist das ganz menschlich: Wenn wir auf der Autobahn die Polizei sehen, geht auch der erste Blick zum Tacho.“ Ansonsten gilt: „Wir glauben dem Jungen.“