: Nahverkehr wird exklusiv
BVG und S-Bahn erhöhen ab August kräftig die Ticketpreise. Jahreskartenbesitzer zahlen sieben Prozent mehr, auch Einzelfahrscheine und Tagestickets werden teurer. Gleitende Monatskarte, Schüler- und Geschwisterkarte bleiben erhalten
VON ULRICH SCHULTE
Wer sich von BVG und S-Bahn kutschieren lässt, muss ab dem 1. August deutlich mehr zahlen. Tickets kosten dann im Schnitt 3,8 Prozent mehr. Das hat der Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) gestern beschlossen. „Die Verkehrsunternehmen versuchen weiterhin, ihre wirtschaftlich schwierige Situation zu Lasten der Fahrgäste zu verbessern“, kritisierte Christfried Tschepe vom Fahrgastverband IGEB die Erhöhung.
VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz nannte als Grund für den Preisaufschlag zum einen sinkende öffentliche Mittel. „Der Bund kürzt seine Zuschüsse, etwa für den Ausbildungsverkehr.“ Dem gegenüber stünden steigende Kosten für Energie und neue Fahrzeuge. Was er nicht sagte: Der Branchenriese BVG schleppt 1 Milliarde Euro Schulden mit sich herum und fährt Jahr für Jahr Verlust ein.
Die Verkehrsbetriebe schlagen besonders bei ihren treuesten Kunden kräftig drauf. Eine Umweltkarte AB wird um 4,7 Prozent teurer, eine Jahreskarte AB gar um 6,9 Prozent. Damit setzen die Unternehmen ihre Preispolitik, Stammkunden zu schröpfen, konsequent fort: 2000 kostete ein Monatsticket rund ein Viertel weniger. IGEB-Vorsitzender Tschepe nennt es „unbegreiflich“, dass auch dieses Jahr Stammkunden die Hauptlast buckeln sollen. „Da wird Kundenbindungspotenzial bewusst verspielt“, sagt PDS-Verkehrsfachfrau Jutta Matuschek.
Der Rabatt für das Firmenticket sinkt von 15 auf nur noch 5 Prozent. Diese Jahreskarten geben die Verkehrsbetriebe verbilligt an Großkunden wie Unternehmen ab. Alte Verträge können BVG und S-Bahn noch drei Jahre zu alten Konditionen laufen lassen, für Neuinteressenten gilt ab April der geringere Rabatt. „Damit steht das Jobticket vor dem Aus“, fürchtet Grünen-Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling. „Angebotsverschlechterungen bei gleichzeitiger Preissteigerung verprellen die Kunden und führen zu sinkenden Fahrgastzahlen.“
Diese Gefahr sieht VBB-Geschäftsführer Franz nicht: Zwar hätten die Betriebe durch die hohe Arbeitslosigkeit zum Beispiel „Probleme im Berufsverkehr“. Doch bei den Tageskarten verzeichne man zweistellige Prozentzuwächse der Verkäufe. Touristen nutzen das Angebot besonders häufig.
Einige sinnvolle Angebote bleiben jedoch erhalten – anders als in den vergangenen Wochen diskutiert – oder werden neu eingeführt: Die gleitende Monatskarte zum Beispiel bleibt. Die 7-Tage-Karte wird verbessert. Ihre Nutzer können künftig am Wochenende ganztags einen Erwachsenen und drei Kinder gratis mitnehmen. Auch kinderreiche Familien sind weniger betroffen als befürchtet: Schüler- und Geschwisterkarte werden nicht teurer. Das hat Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) in den Verhandlungen durchgesetzt, auch die Fraktionen von SPD und PDS lehnten dies strikt ab. BVG und S-Bahn hatten eigentlich geplant, die Geschwisterkarte abzuschaffen und die Preise für Schülertickets nach Alter zu staffeln.
Die Verkehrsbetriebe haben die Preise zum letzten Mal vor 16 Monaten erhöht. Bis Ende 2006 schloss Franz einen weiteren Aufschlag aus.