: Nichts los an der Uni
Kleinbürgerliche, unpolitische StudentInnen, selbstherrliche Asta-Fritzen und konzeptlose Wissenschaftsminister: So wird das nichts mit der Auseinandersetzung um die Studiengebühren
VON CHRISTIAN FÜLLER
So schön ehrlich waren die Ausreden noch nie. Der Potsdamer Streberstudent erklärt, er muss jetzt Wirtschaft büffeln. Der Essener Kommilitone richtet den Zeigefinger auf die jecken Kölner und Düsseldorfer Karnevalsstudenten. Und die Aktivisten aus dem Südwesten merken zwei Tage vor der finalen Anti-Gebühren-Demonstration, dass die Söhne Mannheims ohnehin keine enthusiastischen Protestler seien. Noch nie gewesen.
Das ist die vorläufige Bilanz des Auftakts in ein heißes Demonstrationsjahr, das die organisierten Studentenvertreter sich trauten auszurufen. Das Bundesverfassungsgericht hat vorige Woche erlaubt, was fast 40 Jahre lang in Deutschland nicht sein durfte: Studiengebühren. Jetzt wird’s ernst, riefen die Funktionäre, ab jetzt kostet das Studium Geld. Aber sie haben die Rechnung offenbar ohne ihre Kommilitonen gemacht, die den dezentralen Manifestationen in fünf Städten fern blieben. Unsentimental bilanziert: Gestern gingen 20.000 von 2 Millionen deutschen StudentInnen auf die Straße. Ein aktives Prozent gegen Unigebühren. Mehr als erwartet.
Dabei hätte es jeder wissen können. Alle soziologischen Studien über den Student 2000ff. kommen, bei allen Differenzierungen und Abwägungen, die dabei nun mal nötig sind, doch zu einem ziemlich eindeutigen Schluss: Der Studierende zeichnet sich dadurch aus, dass er (und sie) sich nicht mehr als solche/r fühlt. Im Lebensgefühl und im Auftreten, in den Werten wie in den Interessen, spielt für die Immatrikulierten die Tatsache, dass sie studieren, noch die geringste Rolle. Zuerst sind sie Partner, Sohn oder Tochter, Teilzeitjobber, Arbeitssuchender oder einfach Mensch – und dann, irgendwann auch, Studierende/r.
Der Versuch, dieser Nichtstudentenkohorte ein Label zu verpassen, fällt entsprechend fragil aus: Pro-forma-Studierende, unauffällige, zersplitterte Generation. Studierende, so schreibt der Konstanzer Studentenforscher Tino Bargel, haben sich verkleinbürgerlicht: „Sie sind weniger idealistisch gesonnen, haben seltener einen breiten Interessenhorizont, schauen mehr auf den praktischen Nutzen und den eigenen Gewinn.“ Für Gebührendemos ist das nicht gerade die ideale Mobilisierungshaltung.
Im Prinzip sind Studis selbstverständlich gegen das Bezahlstudium. Folgt man allerdings, unbeobachtet von Asta-Herrlichkeiten, beim Bier zum Beispiel, ihrem mäandernden Räsonnement, kommt in etwa das heraus: „Gerne zahle ich mit Sicherheit nicht. Wenn ich aber feststellen dürfte, dass dadurch das Hörsaalgebäude aufgemöbelt wird und ich wirklich in die wichtigen Seminare problemlos reinkomme, dann könnte ich mir Studiengebühren vorstellen.“ Klingt wie umgekehrtes Radio Eriwan. Im Prinzip nein, aber …
Die zu einem vorsichtigen Pro neigende Unsicherheit des Mehrheits-Studis trifft auf eine Fassade der Gewissheit in der politischen Arena. Zwischen ihren politisch denkenden „Njet“-Kommilitonen und den Pro-Wissenschaftministern (meist der Union) verläuft eine schnurgerade Front. Diese beiden Seiten behaupten ganz genau zu wissen, dass Studiengebühren gut/schlecht sind, was sie bewirken, warum man sie unbedingt einführen/verhindern muss. „Soziale Selektion“ dekretieren die Kämpen aus ihren (von studentischen Zwangsbeiträgen und staatlichem Geld finanzierten) Asta-Villen. Und: „Der Kampf ist noch nicht verloren.“
„Die Universitäten werden gewinnen“, behauptet die ministerielle Elite auf der anderen Seite der Barrikade zu wissen. In Wahrheit ist die Verunsicherung bei jener Sorte Kultusminister, die seit Jahren glühend für Hörergelder votiert, am größten. Als die Richter in Karlsruhe zu Studiengebühren Ja sagten, hatten sie vordergründig einen großen Sieg über die selbstherrliche Bundesbildnerin Bulmahn errungen, tatsächlich standen die Frankenbergs, Goppels, Drägers und wie die Unions-Wissenschaftsminister alle heißen allerdings nackt da, splitterfasernackt: Sie haben kein Stipendiensystem entwickelt (was viele Jahre dauern wird), sie haben keine Garantie für den Mittelzufluss in die Unis, schlimmer noch, sie sind die Schoßhündchen der Länderfinanzminister, die sich die Studiengebühren unter den Nagel reißen werden. So oder so.
Die Debatte über Studiengebühren ist jetzt fünfzehn Jahre alt. Alle Argumente sind ausgetauscht, viele Bürger denken inzwischen: Macht es endlich!
Leider wird die Sache so unkompliziert nicht vonstatten gehen. Denn nun müssen alle Beteiligten erst mal lernen. Die Wissenschaftsminister, dass der Kampf für Gebühren im Kabinett härter wird als der auf der Straße. Die Asta-Fritzen, mit Geld umzugehen. Und die Studenten, dass es nicht reichen wird, sich auf den Demos wieder mal „das letzte Hemd“ auszuziehen.