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Archiv-Artikel

Aleviten verweigern Unterschrift

MUSLIME Kurz vor dem Abschluss droht Schäubles Islamkonferenz ein Eklat: Die Aleviten wollen einer gemeinsamen Abschlusserklärung zum Wertekonsens nicht zustimmen

„Den Islam gibt es nicht, die Muslime in Deutschland sind eine sehr heterogene Gruppe“, sagt Toprak

VON SABINE AM ORDE

Die letzte Sitzung der Deutschen Islamkonferenz soll eigentlich eine versöhnliche werden. Gemeinsam, so die Vorstellung im Bundesinnenministerium, sollen Vertreter des Staates und der Muslime ein positives Resümee ihrer dreijährigen Arbeit präsentieren – und darlegen, warum die Islamkonferenz auch nach der Bundestagswahl weiterarbeiten soll. Doch nun droht ein Eklat: Die Alevitische Gemeinde, einer der insgesamt fünf großen auf der Islamkonferenz vertretenen religiösen Verbände, will die gemeinsame Abschlusserklärung der Muslime zum „Wertekonsens“ nicht unterschreiben. Das erfuhr die taz aus Teilnehmerkreisen.

Ali Ertan Toprak, der stellvertretende Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde, bestätigt das. „Wir werden diesem Papier nicht zustimmen“, sagte Toprak auf Anfrage der taz. „Und wir erwägen, bei der Konferenz eine eigene Erklärung abzugeben.“

Die Alevitische Gemeinde, die als liberal gilt und schätzungsweise 100.000 Menschen vertritt, ist als einzige der vertretenen Verbände als Religionsgemeinschaft anerkannt; in vier Bundesländern gibt es alevitischen Religionsunterricht. In der Türkei, aus der die meisten Aleviten stammen, wurden sie lange als Ketzer betrachtet, dort ist ihr Glaube bis heute nicht anerkannt.

Ob die Aleviten Muslime sind, ist umstritten, auch in der eigenen Gemeinde. „Wir sind eine eigenständige Religionsgemeinschaft, kommen aber aus einem islamisch dominierten Kulturraum“, sagt Toprak. Deshalb hat er gefordert, dass die Aleviten in der Abschlusserklärung nicht einfach unter die Muslime subsummiert, sondern eigens erwähnt werden. Das aber lehnten die anderen muslimischen Teilnehmer ab.

Bei der „Vereinnahmung der Aleviten“, sagt Toprak, seien sich von den IslamkritikerInnen bis zu den konservativen Verbandsvertretern plötzlich alle einig gewesen. „Drei Jahre lang haben wir diskutiert, dass es den Islam nicht gibt, sondern dass die Muslime in Deutschland eine sehr heterogene Gruppe sind“, sagte Toprak. „Und dann das.“ Der Alevit war entsetzt und hat das Treffen der Arbeitsgruppe vorzeitig verlassen.

Andere TeilnehmerInnen verstehen Topraks Empörung nicht. „Über diese Frage hatten wir schon mehrfach diskutiert“, sagt die Frankfurter Zahnärztin Ezhar Cezairli, die als säkulare Muslima der Islamkonferenz angehört, auf Anfrage der taz. „Bei der letzten Sitzung standen einfach viel wichtigere Dinge an.“ Cezairlis Ansicht nach hat Toprak das Treffen schlicht „zu voreilig“ verlassen.

Umstritten ist unter den muslimischen Teilnehmern der Islamkonferenz nicht nur, wer zur Gruppe der Muslime gehört, berichten mehrere Teilnehmer übereinstimmend. Auch die Frage etwa, ob die Arbeit der islamischen Verbände Integration fördert oder genau das Gegenteil bewirkt, sorgt immer wieder für Streit. Solche Themen würden in dem Abschlusspapier als Dissens formuliert, heißt es.

Neben den Aleviten erwägt auch der Islamrat, der von Milli Görüs dominiert wird, seine Zustimmung zu diesem Abschlusspapier zu verweigern. „Das Papier ist noch nicht fertig“, sagte Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats. „Wir diskutieren noch.“ Was ihn an dem Papier stört, wollte er nicht sagen.

Das Bundesinnenministerium gibt sich derweil gelassen. „Die Abschlussgespräche der Arbeitsgruppe I laufen noch“, sagte Ministeriumssprecher Stefan Paris der taz. „Wir sind zuversichtlich, dass sie letztendlich zu einem für alle Teilnehmer zufriedenstellenden Ergebnis führen.“ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Deutsche Islamkonferenz vor drei Jahren ins Leben gerufen. Sie sollte helfen, die Muslime hierzulande besser zu integrieren. Die Islamkonferenz tagt in zwei Wochen zum letzten Mal.