Krieg ist irgendwie schrecklich

Intendant Klaus Weise inszeniert am Theater Bonn ein seltsam distanziertes Drama. In „Krieg“ vom dänischen Autor Lars Norén geht es um eine Familie irgendwo im Südosten Europas, die versucht zu überleben

Einen Text „Krieg“ zu nennen, impliziert einen genialen Wurf oder eine gewisse Überheblichkeit – oder beides. Das Stück mit dem großen Titel, das derzeit der Bonner Intendant Klaus Weise persönlich in Deutscher Erstaufführung auf die Bühne bringt, strahlt Zweiteres aus. Dabei kann sich der Autor Überheblichkeit gar nicht leisten. Denn das von Beginn an durchschaubare, hölzerne und seltsam distanzierte Drama des 1944 geborenen Dänen Lars Norén erstarrt in einer Aneinanderreihung von oft Gesagtem und Gehörtem. Hier wird Krieg als Thema verhandelt.

Der Plot wirkt epigonal: Kriegsheimkehrer (erblindet) findet Frau und Töchter in zerstörter Heimat. Die beiden minderjährigen Töchter wurden in seiner Abwesenheit von den Nachbarn vergewaltigt. Die Ältere verdingt sich jetzt als Gelegenheitsprostituierte. Die Jüngere will noch Kind sein, doch die harte Welt versagt ihr den Spaß. Die Mutter hat einen letzten Traum: Mit dem Bruder ihres Mannes fliehen, in eine bessere Zukunft. Und er, der Heimkehrer, fühlt sich um seine Vergangenheit betrogen, weil nichts ist wie es vor dem Krieg war. Der Autor Norén teilt über seine Arbeit mit: „Schreiben heißt für mich, ein großes System von Gedanken aufbauen zu können – was nur geht, wenn man weit genug von der Realität entfernt ist.“ Durch Weises ebenso kühle Regie bleibt dem Zuschauer die bedauernswerte Rolle dessen, der die Abstraktion einer abstrahierten Geschichte erzählt bekommt und dann auch noch berührt sein soll, weil Krieg ja irgendwie schrecklich sein muss. Doch weder das Stück noch Weises Inszenierung berühren.

Einzig Xenia Snagowski als 15-jährige Tochter Beenina, Andreas Maier als Bruder Ivan und Maria Vogt als 12-jährige Semira zaubern noch eine Portion Menschlichkeit auf die karge, meist in kalte Grün- oder Blautöne getauchte Bühne (Manfred Blößer), auf der eine abgerissene Brücke wunderbar mit den abgegriffenen Allegorien des Textes korrespondiert. York Dippe als Vater möchte offenbar die Gebrochenheit eines unglücklichen Menschen darstellen, ohne hinter der Fassade des Nachkriegswracks den munteren Familienvater der Vergangenheit durchscheinen und damit den Bruch in der Vita erkennbar werden zu lassen. Das absurde Vorhaben misslingt auf geradezu tragische Weise. Diesem katatonischen Vater hört man spätestens nach der zweiten Szene nicht mehr zu, obwohl er das Stück tragen soll. Susanne Bredehöft als Mutter bleibt blass und unnötig steif. Vor der Schlussszene lehnt sie den Antrag des Bruders ab, mit ihr das Weite zu suchen, um schließlich doch mit einem Koffer in der Hand nach ihrer verschwundenen Tochter zu suchen. Das Zeichen ist klar: Nun geht sie für immer. Doch warum? Was hat sich geändert? Das ist vielleicht das einzige Rätsel, das nach dem Vorhang bleibt. Nach einer Stunde hat man das Rätsel allerdings vergessen. Und am nächsten Tag dieses Stück von Lars Norén.

SEBASTIAN SEDLMAYR

Termin: 11.02., 19:30 UhrInfos: 0228-778008