: Moped, Tod und Ouzo
HIPPEN EMPFIEHLT „Kleine Verbrechen“ von Georgiou ist eine Inselkomödie zwischen Agatha Christie und „Local Hero“. Deren Mikrokosmos bleibt angenehm übersichtlich
von Wilfried Hippen
Man kennt solche Filme aus Irland oder Schottland: Auf einer Insel oder in einem abgelegenen Küstenörtchen lebt ein Häuflein von Exzentrikern und die jeweilige Geschichte, sei es nun ein Mord oder eine Romanze, ist eher ein Vorwand, um diese Galerie von skurrilen „local heroes“ liebevoll und amüsant vorzustellen.
Die raue Küste und das blaue Meer sind alle paar Minuten für einige schöne Totalen gut und durch die Abgeschiedenheit bleibt der Mikrokosmos angenehm übersichtlich. Seltsam an „Kleine Verbrechen“ ist nur, dass erst jetzt ein griechischer Regisseur dieses Subgenre für sich entdeckt hat – dabei ist „Alexis Sorbas“ sogar eine Art Vorläufer.
Christos Georgiou ist nicht umsonst in London geboren und studierte Regie in Leeds. Dies ist mit dem trockenen Humor und einem Agatha-Christie-Krimiplot eine sehr britisch wirkende Produktion. Doch immerhin werden alle Griechen auch tatsächlich von griechischen Schauspielern gespielt, und zumindest in der Originalfassung sprechen sogar alle ihre Muttersprache – das ist im Kino alles andere als selbstverständlich. So wurde etwa der archetypische Sorbas einst von dem Mexikaner Anthony Quinn verkörpert. Georgiou hat wohl nicht zufällig mit seinem Helden einen Gegenpol zu dieser Ikone des mediterranen Machismo geschaffen.
Der immer etwas schüchterne und zaghafte Leonidas wurde frisch von der Polizeischule auf eine abgelegene Insel versetzt, wo er dazu vergattert ist, auf Küstenwegen auf Verkehrssünder zu lauern oder die nacktbadenden Touristen an abgelegenen Ständen aufzufordern, gefälligst die Badehosen anzuziehen. Ansonsten ist sein Revier unangenehm verbrechensfrei, bis der Dorfpenner Zacharias nachts von einer Klippe stürzt. Leonidas stopft sofort dessen Leiche für die spätere Obduktion in eine Eistruhe, auch wenn so das Speiseeis für die Touristen schmilzt. Schnell hat Leonidas alle und jeden im Verdacht und nachdem die Dorfschönheit, die in Athen beim Fernsehen Karriere machte, nach einem Triumph zuhause ihre Mutter besucht, muss der Detektiv auch noch eine schöne Frau erobern. Das ist für den Mopedfahrer, dem in kritischen Momenten regelmäßig der Motor absäuft, keine einfache Aufgabe, und so sind seine tragikomischen Bemühungen viel spannender als der Krimiplot.
Bei diesem versucht Georgiou dafür etwas stilistisch Ungewöhnliches: Immer wenn Leonidas eine neue Mordtheorie ausbrütet, sieht man in einer Rückblende (die ja eigentlich „Möglichkeitsblende“ heißen müsste) diese Variation der Tat, so dass der arme Antonis Katsaris in der Rolle des Opfers insgesamt fünf mal die Klippe herunterstürzen musste. So oft stirbt eine Figur selten im Kino.
Georgiou erzählt manchmal ein wenig behäbig und bei einigen Sequenzen kann man genau den Moment erkennen, an dem ein etwas flotterer Regisseur und besserer Cutter geschnitten hätten. Aber auf solch einer griechischen Insel geht halt alles seinen etwas langsameren Gang und der Rhythmus des Films stellt auch einen reizvollen Kontrast zur hektischen Ungeduld von Leonidas dar.
Die Lösung ist dann doch ein wenig enttäuschend, aber immerhin gibt es einen originellen entscheidenden Hinweis: Achten Sie auf den Gesichtsausdruck der Leiche.