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Archiv-Artikel

Verstritten, vertagt, vertreten

Eine Berufungskommission an der Uni Bremen kann sich nicht auf einen Kandidaten für einen Lehrstuhl im Bereich Chemie einigen. Jetzt muss das Rektorat die Stelle neu ausschreiben. Und nebenbei einen Grundsatzstreit entscheiden

Von fpn

Bremen taz ■ Als Wissenschaftler soll er unbestritten hervorragend sein. Viele Publikationen, ausgezeichnete Forschungsergebnisse, eine Stelle an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Im vergangenen Jahr bewarb Vladimir Azov sich dann an der Universität Bremen – für den Lehrstuhl „Makromolekulare und Supramolekulare Organische Chemie“.

Doch nachdem er vor der Berufungskommission seinen Probevortrag hielt, gehen die Meinungen weit auseinander. Während die Professoren Azov weiterhin als „hoch qualifiziert“ erachten, sind die Studentenvertreter skeptisch bis entsetzt. Azov soll kaum deutsch und nur schlecht englisch sprechen, beim Vortrag dreht er sich mit dem Rücken zum Publikum.

Die Studierenden geben ein Sondervotum ab, sprechen sich ebenso wie die sonstigen Mitarbeiter gegen Azov aus. Doch mit den Stimmen der Professoren legt die Kommission eine Liste vor, auf der nur ein einziger Name – statt sonst dreien – steht: der von Azov. Das ist in Ausnahmefällen möglich.

Wegen der Sondervoten aber muss sich der Akademische Senat der Universität im Dezember mit der Personalie befassen. Es gibt eine „heftige Diskussion“, wie sich Chemie-Dekan Wilfried Stohrer erinnert. Dann votiert der Senat mit neun zu fünf Stimmen gegen die Berufung Azovs. „Ungewöhnlich“, findet das auch die grüne Bildungsexpertin in der Bremer Bürgerschaft, Silvia Schön. „Aber wenn man die Lehre an der Uni stärken will, dann darf man nicht jemanden berufen, der offensichtlich in der Lehre schwach ist.“

Jetzt muss sich das Rektorat der Universität Bremen höchstselbst mit der strittigen Berufung befassen. Die Stelle soll neu ausgeschrieben werden, das verkündete Uni-Konrektor Reinhard Fischer gestern auch auf der Sitzung der Wissenschaftsdeputation der Bürgerschaft. Vladimir Azov ist damit aus dem Rennen. Und die Uni-Rektoren müssen wieder einmal den Grundsatzstreit zwischen Lehre und Forschung entscheiden: Soll der neue Chemie-Prof eher ein guter Forscher sein, stark in der Lehre – oder gar beides?

Am Fachbereich Chemie dauert das Warten derweil an. In acht bis neun Monaten erhofft man eine neue Entscheidung – wenn es schnell geht. So lange vertritt ein pensionierter Professor den Lehrstuhl und hält die Vorlesungen. Unbezahlt. fpn