: Gabriel im Raffke-Strudel
Niedersachsens Ex-Ministerpräsident Gabriel gibt Nebenjob mit Geschmäckle zu: Der SPD-Mann soll seine Polit-Connections für eine Beraterfirma eingesetzt haben
HANNOVER taz ■ Auch Niedersachsens ehemaliger Ministerpräsident droht in den Strudel der Debatte um Politiker-Nebeneinkünfte gezogen zu werden. Nachdem ihn Redakteure von Focus-online am Donnerstag mit hochnotpeinlichen Fragen zu seiner Beteiligung an der Hallenser Beraterfirma Cones gelöchert hatten, rief der niedersächsische SPD-Fraktionschef persönlich verschiedene Zeitungen an, um sie auf seine Nebentätigkeit aufmerksam zu machen: Ja, es sei richtig, dass er nach der verlorenen Landtagswahl im Februar 2003 mit einem Einstieg in die Privatwirtschaft „geliebäugelt“ habe und deshalb mit 25 Prozent bei Cones eingestiegen sei.
Das Problem: Die Firma hat Geschäfte mit Volkswagen gemacht, in dessen Aufsichtsrat Gabriel bis zu seiner Abwahl als Ministerpräsident gesessen hatte. Wahrscheinlich wegen Gabriels Insiderwissen hatte Cones also 100.000 Euro für ein VW-Gutachten über „Europäische Industriepolitik“ eingestrichen. 35.000 Euro will Gabriel für sein Cones-Engagement bekommen haben. Im September 2004 sei er aus der Firma wieder ausgestiegen – und habe alles ordnungsgemäß dem Landtagspräsidenten gemeldet. „Ich habe ein ausgesprochen gutes Gewissen, weil ich mich rechtmäßig verhalten habe“, beteuerte Gabriel gestern. Er habe „das geltende Gesetz respektiert“. Der Landtagspräsident bestätigte das. Allerdings, räumt der SPD-Mann ein, sei das alles „in der gegenwärtigen Situation schwer zu erklären“.
Nicht nur, dass die Gabriel-Geschichte ein Geschmäckle hat: Während CDU-Ministerpräsident Christian Wulff genau zwei Jahre nach seinem Wahlsieg laut Umfragen Deutschlands zweitbeliebtester Politiker ist, steht die Landes-SPD mit dem Rücken zur Wand. Der Landtagspräsident prüft derzeit, ob die beiden SPD-Hinterbänkler Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen über Jahre hinweg nebenbei Lohn von VW bezogen haben, ohne etwas dafür zu tun. Viereck gab inzwischen zu, Autos des Konzerns an Parlamentarier verkauft zu haben – unter anderem einen Audi A 4 an Gabriel. Dennoch drohen den zwei Sozialdemokraten laut Abgeordnetengesetz Rückzahlungen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro. Auch weil das die SPDler in den privaten Ruin treiben würde, kündigte ihr Anwalt an, das Abgeordnetengesetz notfalls per Verfassungsklage auszuhebeln. Kein Wunder, dass die Niedersachsen-CDU in der „Raffke“-Affäre VW-Filz bei den Roten wittert.
Auch in Berlin sorgt das Thema der Politiker-Nebenjobs weiter für Schlagzeilen. Ein Gutachten der Bundestagsverwaltung kommt zum Schluss, die Veröffentlichung von Nebeneinkünften der Bundestagsabgeordneten verstoße nicht gegen das Grundgesetz. Allerdings bedürften Geldbußen bei Verstößen gegen die Veröffentlichungspflicht eines neuen Gesetzes. Grenzen für eine Offenlegung der Parlamentarier-Nebenjobs könnten sich laut dem Gutachten aus der informationellen Selbstbestimmung, der Berufsfreiheit und der Eigentumsgarantie ergeben.
KAI SCHÖNEBERG