Die die Verdrängung fürchten

GENTRIFIZIERUNG Gemeinsam fordern Bewohner aus Stadtteilen, die besonders von Umstrukturierungen betroffen sind, mehr Schutz für das Bestehende

Schanzenviertel: Durch die Ansiedlung von Gastronomie an der „Piazza“ ist insbesondere das Schulterblatt zur touristischen Attraktion geworden. Tausende tummeln sich bis spätabends auf dem Platz – für KritikerInnen längst ein „Galão-Strich“.

■ St. Georg hat in den vergangenen zehn Jahren einen Bevölkerungswandel erlebt, der laut Einwohnerverein „im hohen Tempo“ AltmieterInnen durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verdrängte. Der Marktwert der Immobilien habe sich teils verdreifacht.

Angst vor der „wachsenden Stadt“: Die Aufwertung und Umstrukturierung ihrer Quartiere – neuerdings auch außerhalb von soziologischen Instituten „Gentrifizierung“ genannt – sorgt bei den Bewohnern innenstadtnaher Wohnviertel für Unruhe: Gegen Läden und Gastronomie im Schanzenviertel kommt es zu spontanem Protesten, länger geplant werden dagegen allerlei Aktionen, die sich gegen Beachclubs und „Yuppiesierung“ am Hafen oder gleich die Verdrängung ganzer Schichten in St. Georg richten.

Mehr als 50 Mieterinitiativen und -gruppen wollen am morgigen Samstag gegen „Mieterhöhungen, Privatisierung und Vertreibung“ demonstrieren: „Wir wollen den Widerstand gegen Umstrukturierung zusammenführen und auf die Straße bringen“, sagt Birgit Otte vom „Netzwerk gegen Gentrification – Es regnet Kaviar“.

An kaum einem Quartier ist der Wandel so gut ablesbar wie am Schanzenviertel. „Das Chaotenviertel steht längst in jedem Stadtführer“, sagt Peter Hass vom Schanzenbuchladen, „und lockt Touristen an“. Das mache das Viertel interessant, so dass „Großketten anfangen, sich einzunisten und die alten Läden zu vertreiben“. Teils würden Vermittler tausende Euro zahlen, um über das Aufgeben eines Ladengeschäfts „ins Gespräch zu kommen“.

Einen solchen Wandel – wenn auch wohl erst im nächsten Jahrzehnt – erwarten Experten auch in Wilhelmsburg, wo zurzeit Sanierungsprogramme der Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften laufen. „Wir stellen fest, dass das nicht zur Sicherung der Mieter führt“, sagt Tina Habermann von der örtlichen Mieterinitiative.

Für Marc Meyer vom Verein „Mieter helfen Mietern“ ist vor allem die Politik gefordert, durch „soziale Erhaltenssatzungen, Vertreibung auf längere Sicht zu verhindern“. Zudem müsse der Wohnungsbau forciert werden: „Hamburg braucht dringend preiswerte, schicke und ökologische Wohnungen.“ KAI VON APPEN