Angriff der Pünktchen

Eine Kleinigkeit nur, so unscheinbar wie Mäuseköttel. Das ist doch irgendwie der deutsche Beitrag zur fortlaufenden Popgeschichte: Es geht also um die Pünktchen, die über einen Vokal gesetzt werden, um den damit in eine andere Richtung zu zwingen. Es geht um die Umlaute, die vor allem im angloamerikanischen Ausland wohl als die Pickelhauben der deutschen Sprache betrachtet werden.

Prominente Parteigänger der Pünktchen sind natürlich Motörhead, und Bandvorstand Lemmy erklärte die Sache schlicht so: „Weil es gemeiner aussieht. Deutscher.“ Tatsächlich finden sich die Ös und Üs vor allem in den Namen von Bands der Hardrock- und Metal-Branche, so dass man bereits von einem Heavy-Metal-Umlaut spricht oder, noch hübscher, im Englischen von den röck döts, die erstmals wohl in den Anfangssiebzigern von Blue Öyster Cult eingeführt wurden in die Rockmusik, um damit auf den wagnerianischen Pomp in ihrer Musik zu verweisen.

Das mag nun die deutsche Seele vielleicht bekümmern, dass man das Deutsche mit seinen Zutaten anderswo halt weiter sozusagen auf dem Königsweg der germanischen Härte sieht, mit der man sich so richtig martialisch geben kann, und dabei sind es halt auch die Pünktchen, die den Mann zum wirklichen Mann machen, „gemeiner, deutscher“, wie man als Metal-Musiker doch zu sein hat.

Ganz so eindeutig ist die Sache dann aber nicht, nicht in der Metal-Branche, die ehern mit ihren Nietenbändern an den alten Werten festhält, zu denen eben auch zählt, dass der Metal in Sachen Uneindeutigkeit bei Pop ganz weit oben steht, mit den toupierten Haaren, dem Falsett-Gesang und den sonstigen effeminierten Zeichen inmitten dem scheinbaren Raubeinmännerding Metal. Glam! Wie bei Mötley Crüe, die in diesen Zusammenhängen die Pünktchen dann eher als nettes Accessoire spazieren tragen, wie ein Gucci-Täschchen. Und bei Queensrýche sind sie, progrockig verquast über den Nichtvokal y gehängt, sowieso ein Ausdruck für den eitlen Drang zur Kunst.

In Deutschland versuchte man dagegen eigentlich immer, die Pünktchen zu vermeiden. Die Band Hoelderlin zum Beispiel, die Anfang der Siebziger zuerst noch ein Folkalbum unter dem Namen Hölderlin eingespielt hatte, wechselte später zum Kunstrock à la Genesis und dem Zwielaut. Germanische Härte sollte nicht zu Markte getragen werden.

Die Pünktchen, sie kommen: Mötley Crüe spielen am Dienstag in der Columbiahalle, Queensrýche spielen am Mittwoch im Columbia-Club, und Motörhead spielen, noch etwas hin, am Freitag, 11. Dezember, in der Arena Berlin. THOMAS MAUCH