: Giftige Schafleber im Angebot
LEBENSMITTEL Trotz überhöhter Dioxinwerte wird das bei Türken beliebte Lebensmittel nicht aus dem Verkehr gezogen. Foodwatch sieht Skandal, Behörden wiegeln ab
VON JOST MAURIN
Trotz Überschreitungen der Dioxingrenzwerte lassen die Behörden den Verkauf belasteter Schafleber zu, die besonders bei Türken beliebt ist. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge war in 94 Prozent von 140 Leberproben aus sechs Bundesländern mehr des als krebserregend geltenden Stoffs enthalten als von der EU erlaubt. Das BfR empfahl deshalb, keine Schafleber zu essen. „Aus den Daten lediglich Verzehrsempfehlungen abzuleiten, halte ich für kriminell. Zu stark belastete Ware muss vom Markt genommen werden“, sagte Thilo Bode, Chef der Verbraucherorganisation Foodwatch, am Donnerstag.
Die Belastung mit Dioxin und der ebenfalls gefährlichen Industriechemikalie PCB sei „in den meisten Proben sehr hoch“, heißt es in dem BfR-Gutachten. Wer sein ganzes Leben lang Schafleber verzehrt, bei dem genügen schon 250 Gramm pro Woche, um die tolerierbare Menge deutlich zu überschreiten. „Allerdings ist der lebenslange, wöchentliche Verzehr hoch belasteter Schafleber nicht wahrscheinlich.“
Doch das gilt offenbar nicht für alle Gruppen der Gesellschaft. Nach einer Studie, die das BfR zitiert, konsumieren 50 Prozent der befragten Türkinnen „häufig“ Schaf- und Lammfleisch. Diese Produkte sind für viele Muslime eine beliebte Alternative, weil sie aus religiösen und kulturellen Gründen kein Schweinefleisch essen.
Nur eine Minderheit der Menschen in Deutschland verzehrt laut BfR aber häufiger als einmal im Monat Schafleber. „Immerhin 800.000 Leute konsumieren regelmäßig Schafleber“, sagte hingegen Foodwatch-Chef Bode. Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gelte auch für Minderheiten. Die Behörden müssten Schafleber stärker kontrollieren und gegen die Hersteller vorgehen. Warnungen vor dem Verzehr reichen Bode nicht, weil sie nicht genügend bekannt seien. „Die Untätigkeit der Behörden ist ein richtiger Skandal.“
Die Ämter schieben derweil die Verantwortung hin und her. „Wir dürfen gar keine Verbotsempfehlungen aussprechen“, sagte ein BfR-Sprecher. Zuständig seien die betroffenen Länder und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. In der Bundesbehörde verweist man aber darauf, dass es ja bereits Lebensmittelkontrollen der Länder gebe, die belastete Nahrung aus dem Verkehr ziehen. Niedersachsens Ernährungsministerium erklärt, nur die EU könne ein Verkaufsverbot für Schafleber erlassen. Hamburg verweist auf den Bund. Das Bundesumweltministerium verwies darauf, dass die Behörden nun im Rahmen eines Monitoringprojekts umfangreiche Proben zögen. Die Ursache der Dioxinbelastung sei unklar.