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Archiv-Artikel

Große Koalition gegen Schily

Nicht nur Datenschützer und Juristen, sondern auch der Verfassungsschutz kritisieren die Pläne für eine „Islamistendatei“. Aus ganz unterschiedlichen Gründen

KARLSRUHE taz ■ Die gemeinsame Islamistendatei von Polizei und Verfassungsschutz nimmt langsam konkrete Züge an. Ein Gesetzentwurf, den Innenminister Otto Schily vorbereitet, sieht die Einrichtung einer zentralen Fundstellendatei und daneben kleinerer Projektdateien vor.

Die Islamistendatei soll den Informationsfluss zwischen Polizei und Verfassungsschutz beschleunigen. Bisher dürfen Informationen zwar ausgetauscht werden, doch muss die andere Seite jeweils individuell angefragt werden. Interessiert an einem gemeinsamen Datenpool ist vor allem die Polizei, die möglichst umfassend auf die Informationen des Verfassungsschutz zugreifen will.

Doch gegen eine solche gemeinsame Volltextdatei hat sich ein ungewöhnliches Bündnis aus Verfassungsschutz, Datenschützern und Verfassungsjuristen gebildet. Die Geheimdienstler fürchten um den Quellenschutz ihrer Daten, die oft von Spitzeln oder ausländischen Diensten stammen. Wenn die Polizei solche Daten einfach nutzen könnte, so die Sorge, würden sie sich bald auch in Ermittlungsakten finden und wären damit auch für die Anwälte der Überwachten sichtbar. Datenschützer fürchten, dass bei einer Volltextdatei die Zweckbindung der Daten nicht gewahrt bleibt. Und Verfassungsrechtler meinen, dass ein Volltext-Online-Datenverbund gegen das Trennungsgebot von Polizei- und Geheimdiensten verstößt.

Im Kern plant Schily deshalb lediglich eine Indexdatei, also ein digitales Fundstellenverzeichnis. Wird ein bestimmter Name eingegeben, erfährt der Frager nur, welche Behörde auf Bundes- oder Landesebene hierzu Informationen hat, und muss dann dort direkt anfragen. Immerhin entfällt die Suche nach dem passenden Ansprechpartner, weshalb BKA-Chef Jörg Ziercke eine Indexdatei als „großen Fortschritt“ wertet. Vermutlich wird dem Verfassungsschutz aber erlaubt, besonders heikle Namen nicht einmal der Indexdatei anzuvertrauen. Der Dienst würde dann nur sehen, dass die Polizei nach einer Person gefragt hat, und entschiede anschließend selbst, ob er mit der Polizei Kontakt aufnimmt.

Neben der Indexdatei soll es auch zeitlich befristete, sachlich begrenzte Projektdateien für bestimmte Ermittlungen geben. Diese würden dann als „Volltextdateien“ ausgestaltet, wie die taz jetzt aus dem Bundesinnenministerium erfuhr. In der Koalition wird es darüber aber wohl keinen Streit geben. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, hat längst einem Mischkonzept aus Index- und Projektdateien zugestimmt.

Andere Pläne haben noch die Länder. Der Bundesrat hat im Oktober einen Gesetzentwurf aus Niedersachsen angenommen, mit dem eine gemeinsame Volltextdatei eingerichtet werden soll. Nur in begründeten Ausnahmefällen sollen sich die Dienste auf einen Index-Eintrag beschränken können.

Außerdem wollen die Länder nicht nur Personen mit Terrorbezug in ihrer Datei erfassen, sondern auch gewaltfreie islamistische Extremisten wie die knapp 30.000 Mitglieder von Milli Görüs. Wie Schilys Gesetzentwurf in dieser Frage aussehen wird, ist noch ungeklärt, so eine BMI-Sprecherin zur taz.

CHRISTIAN RATH