: „Bremen will Dich“ – nicht immer
EINBÜRGERUNG Die deutsche Staatsangehörigkeit wird in Bremen kräftig beworben. BewerberInnen, die Hartz IV bekommen, überprüft die zuständige Behörde sehr genau – teils mit wenig Rücksicht auf den Datenschutz
VON ANNA GRAS
„Lass Dich einbürgern – Bremen will Dich.“ So wirbt derzeit eine Kampagne für die deutsche Staatsangehörigkeit. Für MigrantInnen, die von Hartz IV leben, ist es mitunter nicht so einfach, dieser Aufforderung zu folgen. Denn bei ihren Einbürgerungsanträgen schaut das Stadtamt ganz genau hin – zu genau, wie die Bremer Datenschutzbehörde (LfD) beanstandete.
Die 48-jährige Türkin Zeleha N. brauchte keine Werbung, um sich für die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden. „Ich lebe hier seit ich zwölf bin“, sagt sie, „da möchte ich die gleichen Rechte wie alle haben“. Ihr einziges Manko: Sie lebt von Hartz IV. Denn das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz sieht vor, dass EinbürgerungskandidatInnen ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Transferleistungen bestreiten müssen – es sei denn, sie haben deren Inanspruchnahme nicht selbst zu vertreten. N. ist aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig, der Gesetzespassus für ihre Einbürgerung also keine Hürde.
Ob AntragstellerInnen ihren Leistungsbezug nicht zu verantworten haben, fragt die Staatsangehörigkeitsbehörde bei der Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) nach. Dafür gibt es ein eigenes Formular. Der Bagis waren die Fragen allerdings zu detailliert. Sie ließ das Formular von den Datenschützern prüfen. Bereits im vergangenen August wurde eine neue Version aufgelegt.
Dennoch stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde mitunter noch Anfragen mit dem beanstandeten Formular – auch bei Zeleha N. Wie oft, sei nicht zu klären, sagt die Bagis-Sprecherin Katrin Kaufmann. „Wir erfassen das nicht.“ In der Vergangenheit seien solche Vorfälle stets „auf dem kurzen Wege“ zwischen den Behörden gelöst worden. Anders bei N.: Ihr Bagis-Sachbearbeiter informierte nicht nur sie selbst, sondern auch die Datenschutzbehörde.
„Das alte Formular ist nicht geeignet, um zu sehen, ob jemand mit oder ohne eigene Schuld Leistungen bezieht“, sagt Kendra Hoffmann, Referentin bei der LfD. Zum Teil würden Daten erfragt, die die Bagis gar nicht zuverlässig erhebt, etwa das Interesse an Bildungsmaßnahmen. „Da sollen Mitarbeiter einfach Prognosen abgeben“, so Hoffmann. „Unglücklich“ findet sie die Regelung grundsätzlich. „Eine schonendere Möglichkeit wäre, dass die Antragsteller die Angaben selbst bei der Bagis abholen und dann abgeben.“
Für den Leiter der Einbürgerungsbehörde Richard Tessarek ist Zeleha N. ein Einzelfall: Eine neue Kollegin hätte den Antrag bearbeitet und aus Unwissenheit das alte Formular versehentlich an die Bagis geschickt, erklärt er. Der alte Vordruck wiederum sei auch nur durch ein Versehen noch im Computersystem der Behörde: „Der Administrator hat vergessen, es zu löschen“, so Tessarek.
Aus der Bagis gibt es gegenteilige Hinweise. Es schleiche sich der Eindruck ein, die Staatsangehörigkeitsbehörde habe häufiger versucht, mit dem alten Formular sensible Informationen zu erfragen, heißt es. Nicht immer falle den Sachbearbeitern ein altes Formular auf. Zudem gingen viele davon aus, dass eine behördliche Anfrage per se in Ordnung sei. Ansonsten gebe es auch mal „böse Anrufe aus der Ausländerbehörde“.
Für Tessarek ist das eine „Unverschämtheit und Unterstellung“ – zumal die Kritik nicht aus der Bagis-Geschäftsleitung, sondern von „unterer Ebene“ käme. Auch im Fall von Zeleha N. „hätte sich die Bagis bei uns melden sollen, statt direkt zur Datenschutzbehörde zu gehen“, sagt er.
N. selbst hat ihren Antrag inzwischen bewilligt bekommen. Das Vorgehen des Stadtamts wundert sie. „So ein Aufwand“, sagt sie: „Ich bin doch nicht die einzige Arbeitslose.“