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Archiv-Artikel

Stadion der Weltspione

Im Sommer 2011 will der BND nach Mitte in die Chausseestraße ziehen. Gestern wurde der Entwurf für den Neubaukomplex vorgestellt. Erster Profiteur des neuen Agentendomizils ist das Flüsschen Panke: Es wird im Zuge des Neubaus renaturiert

An der Chausseestraße müsse man in 100-Jahres-Schritten denken, sagt Berlins Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD): 1750 baute Friedrich II. hier das Invalidenhaus, hundert Jahre später kam die Garde-Füsilier-Kaserne, wieder 100 Jahre danach baute Walter Ulbricht hier das Stadion der Weltjugend, seine „Zickenwiese“. Und nun zieht bald der Bundesnachrichtendienst (BND) auf das seit Jahren brach liegende, zehn Hektar große Gelände – in einen riesigen Neubaukomplex. Der Entwurf der Architekten Kleihues + Kleihues dafür wurde gestern im Bundespresseamt vorgestellt.

„Also herzlich willkommen, Herr Hanning“, sagte die Bausenatorin an den Präsidenten des BND gewandt, der neben ihr auf dem Podium saß und zunächst schwieg. Wenn er mitgerechnet hat, dürfte ihm aufgefallen sein, dass die Senatorin ihn und seine 4.000 Mitarbeiter nicht vor Mitte des 21. Jahrhunderts an der Chausseestraße erwartet.

Dabei hatte doch Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau, der rechts neben der Senatorin saß, eben noch einmal feierlich betont, was der neben ihm sitzende Staatssekretär im Bundesbauministerium, Tilo Brauner, zuvor schon verkündet hatte: Baubeginn ist im Oktober 2006, Ende 2008 steht der Rohbau, und am 4. August 2011 wird Einzug gefeiert.

Eine Burg wird der voraussichtlich 720 Millionen Euro teure Komplex nicht, wie die Beteiligten gestern unisono betonten. Vielmehr löse der Entwurf, der aus dem Wettbewerb der sechs eingeladenen Architekturbüros als Sieger hervorging, den Anspruch ein, dass der BND sich nicht hinter hohen Mauern verstecke, hob Staatssekretär Brauner hervor. Ein lediglich drei Meter hoher Zaun reicht den Geheimen dafür völlig aus.

Dahinter soll sich der gut 30 Meter hohe verschachtelte Gebäudekomplex mit monoton gerasterter Lochfassade – sprich vielen Fenstern – auf 450 Metern Breite entlang der Chausseestraße „dezent im Hintergrund halten“, wie Architekt Jan Kleihues erläuterte – jedoch „ohne sich zu verstecken“. Inwiefern dies einem Bau, der auf 180 mal 280 Meter Grundfläche 250.000 Quadratmeter Nutzfläche bietet (so viel wie Paul-Löbe- und Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages zusammen) überhaupt gelingen kann, muss sich noch erweisen.

Um der Geheimdienstzentrale die Wucht zu nehmen, haben Kleihues + Kleihues von einer ursprünglich angedachten Blockrandbebauung abgesehen zugunsten zweier flacher Torgebäude, die den Eingangsbereich großzügig flankieren. Zudem soll eine kiefernbestandene – freilich nicht öffentliche – Grünfläche zur Straßenseite hin entstehen. Und schließlich wollen die Planer hinter dem Komplex einen Park entlang der Panke anlegen, in dem auch Zivilisten frei flanieren dürfen. Darin soll das seit Jahr und Tag schändlich vernachlässigte Flüsschen Panke renaturiert werden.

Bausenatorin Junge-Reyer kündigte an, dass der Pankepark zu einem „beliebten Ort für die anwohnenden Bürger“ gestaltet wird. So sollen auf der gut drei Hektar großen Grünfläche auch Bolz- und Spielplätze entstehen. Die Finanzierung werde durch Ausgleichszahlungen des Bundes gesichert – man führe Verhandlungen. Und wenn die sich nicht allzu lange hinziehen, könnte es ja zumindest mit Park noch vor Mitte des Jahrhunderts etwas werden. JAN ROSENKRANZ