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Motorsportzentrum für den Wahlkampf

Was Red-Bull-Chef Mateschitz einst Flügel verlieh, will jetzt die steiermärkische Landesregierung weiterführen: den Bau einer neuen Formel-1-Strecke. Im Herbst sind Landtagswahlen, doch Unternehmer Mateschitz spottet schon heute

WIEN taz ■ Sogar auf dem Opernball vergangenen Donnerstag versuchte die gute Frau Investoren zu finden. Landeshauptmann Waltraud Klasnic – auf dem Hauptmann besteht Frau Klasnic – will auf das Motorsportzentrum in der Obersteiermark nicht verzichten. In Spielberg, wo noch Anfang des Jahrtausends Formel-1-Motoren lärmten, soll eine moderne „Motorsport & Aviation Academy“ entstehen.

Idee und Projekt stammen vom steirischen Multimillionär Dietrich Mateschitz. Gearbeitet wurde auch schon – etwa die alten Tribünen abgerissen. Doch dann gab im Dezember der österreichische Bundesumweltsenat einer Bürgerinitiative Recht und stoppte das Projekt. Mateschitz zog sich zurück.

Sehr zum Leidwesen von Frau Hauptmann Klasnic. Die hält am Projekt fest – mindestens bis Herbst, denn da stehen Landtagswahlen an. Und nach mehreren hausgemachten Skandalen läuft die ÖVP-geführte Landesregierung Gefahr, ihre Mehrheit zu verlieren. Also tobte sie nach dem Spruch des Umweltsenats, ÖVP-Politiker Werner Amon verdammte ihn gar als Angriff auf den Rechtsstaat. Klasnic versicherte, sie würde alles tun, um den „Nichtbau zu verhindern“. Allein in der Anfangsphase sollen 300 Arbeitsplätze entstehen.

Ausnahmsweise ziehen alle Parteien der Steiermark an einem Strang. Der Bürgermeister von Spielberg, Kurt Binderbauer, ist Sozialdemokrat, und selbst die Grünen haben gegen Wirtschaftsimpulse in der strukturschwachen Obersteiermark nichts einzuwenden. Allerdings können sie die Empörung über den Entscheid des Umweltsenats nicht verstehen. Dass das geplante Projekt Umweltstandards nicht erfüllt, sei schon lange vorher klar gewesen.

Mateschitz, der mit dem Energy-Drink Red Bull ein Vermögen verdient hat, ist ein ausgesprochener Motorsportfan. Letztes Jahr sponserte er den österreichischen Rennläufer Christian Klien. In der diesjährigen Formel-1-Saison tritt er mit einem eigenen Rennstall an, den er von Jaguar übernommen hat. Offenbar hatte der Multimillionär von der steiermärkischen Landesregierung Zusagen, dass sie schon dafür sorgen würde, sein Projekt „problemlos“ zu begleiten. Der Standard berichtet von einem Geheimvertrag, in dem Klasnic dem rührigen Unternehmer zahlreiche Zugeständnisse machte. Dass es dann trotzdem Probleme gab, sorgte für einen angewiderten Rückzug des Getränkefabrikanten.

Den will Waltraud Klasnic nicht so leicht akzeptieren – immerhin geht es um Investitionszusagen von 700 Millionen Euro. Um die virulent zu halten, erwägt die Landesregierung, mit maximal 90 Millionen Euro eine eigene Projektierungsgesellschaft zu gründen, die das Projekt trotz des Senatsspruchs voranbringt. Die Firma Red Bull könnte ja einsteigen, wenn es wieder läuft.

Doch Mateschitz bleibt hart. Auch eine Demonstration von 2.000 Jugendlichen für das Motorsportprojekt konnte ihn nicht umstimmen – der Landesschulrat hatte eigens dafür einen Tag freigegeben. Kenner der Szene vermuten, dass der Millionär über den Ausstieg nicht unglücklich war: Das Finanzierungskonsortium, das er auf die Beine stellen wollte, erwies sich als äußerst wacklig. Schon durch sein Formel-1-Einstieg könnte er sich übernommen haben. Ein Indiz dafür: Für seine von der Landesregierung übernommenen Pläne hat der Unternehmer nur mehr Spott übrig.

RALF LEONHARD

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